"We can, in fact we must, continue to fight to make everything about society better, without destroying what's already great." Carrick Ryan, Australian political commentator
"We are all just walking each other home." Ram Dass, writer
Ich hab das nervige Midlifecrisis Buch erstmal wieder zur Seite gelegt, und widme mich meinen Büchereistapel.
Neulich hatte ich ja schon einmal einen Roman von Imbi Neeme empfohlen, jetzt lese ich ihren Erstlingsroman, der auch einige Preise erhalten hat. Im Original 'The Spill', im Deutschen "Die Wahrheit und andere Erinnerungen". Eine Geschichte einer Familie, Vater, Mutter und zwei Töchter, die am Alkoholproblem der Mutter und nach einem Autounfall zerbricht. Wo dann über Jahrzehnte jeder sein eigenes Leben und vor allem seine eigene Wahrheit, was die Familie betrifft, lebt. Erst nach dem Tod der Mutter nähern sich langsam die Schwestern wieder an und erkennen, dass sie oft mit ihren Urteilen meilenweit daneben gelegen haben und es nie so richtig 'die eine Wahrheit' gibt. Und wie sehr jede von ihnen in den Zwängen der Kindheit verfangen war.
Die Geschichte wird aus der Sicht der Schwestern erzählt, in Zeitsprüngen über 30+ Jahre vorwärts und rückwärts. Mich fasziniert, wie die Autorin es schafft, kleinste Details nebenbei zu erwähnen, die dann im Rückblick auf einmal eine ziemliche Bedeutung bekommen und die Zukunft beeinflussen. Wie sich auf einmal ein ganz anderes Bild ergibt, das nicht immer mit dem übereinstimmt, was die jeweilige Schwester immer geglaubt hat. Und sie schildert sehr gut, wie es dazu kommt, dass man sich, obwohl man sich doch liebt, so verletzen kann.
Das Ganze spielt in Perth, die Dialoge haben teilweise den typischen australischen Humor, oft mit scharfen Seitenhieben versetzt. Wie das in der Übersetzung dann rüberkommt, weiss ich nicht. Auf alle Fälle eine Empfehlung von mir.
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Danke für diese Empfehlung! Imbi Neeme ist mittlerweile schon auf meiner Wunschliste gelandet! "Die Wahrheit und andere Erinnerungen sind in der Bibliothek vorbestellt!
Ich hab jetzt "Das andere Tal" vor mir - das aktuelle Buch der Leserunde in meiner Lieblingsbuchhandlung.
Dieses Tal ist ein besonderer Ort. Geht man nach Osten oder Westen, stößt man auf die gleichen Häuser, Hügel, Straßen - doch alles ist zwanzig Jahre zeitversetzt. Nur in Trauerfällen dürfen die Grenzen passiert werden. Als die junge Odile in Besuchern aus der Zukunft die Eltern ihres Freundes Edme erkennt, weiß sie, dass er bald sterben wird. Was wäre, wenn Odile das ihr auferlegte Schweigen bricht? Ein bewegendes und außergewöhnliches Debüt über Freiheit und die Macht des Schicksals
Ehrlich... ich hätte dieses Buch nie gelesen ohne Leserunde. Aber das ist recht oft so und dazwischen gab es glücklicherweise immer wieder so richtig gute Bücher. Außerdem gibt es bei den Treffen immer etwas gutes zu Essen und ausgezeichneten Wein....
Mr. Widow und die Katzen habe ich ausgelesen und für nett befunden. Der Fall um die entführten Katzen war mir zwar ein bisschen zu verschachtelt und etwas wirr und die Figurenzeichnung teils ein bisschen karikaturhaft, aber da ich das Ganze von Beginn an eher als Märchen für Große betrachtet habe, ließ sich das verschmerzen. Und das Haus voller Katzen und Bücher gefiel mir natürlich ausgesprochen gut.
Jetzt gibt's was ganz anderes, "The Other Side of the Story" von Marian Keyes. Sie wird ja gerne in die Chick-Lit-Ecke gesteckt, was gar nicht mein Genre ist, aber ich mag bei ihr, dass es unter der oft witzig-ironischen Oberfläche doch immer um ernsthafte Themen und vor allem um ziemlich normale Menschen geht. In diesem Buch geht es um Gemma, Anfang 30, deren Vater Knall auf Fall nach 35 Ehejahren die Mutter verlassen hat. Gemma ist nun gefragt, den Scherbenhaufen zusammenzukehren und ihrer Mutter beizustehen, die überhaupt nicht mit der Situation zurechtkommt. Ich mag die Selbstironie der Erzählerin total gerne, und in ihrem Job als Eventmanagerin habe ich vieles aus der eigenen Berufswelt wiedergefunden, ein netter Bonus.
This is a broken world and we live with broken hearts and broken lives but still that is no alibi. (Leonard Cohen)
I would love to live like a river flows,carried by the surprise of its own unfolding. (John O'Donoghue)
Moderatorin in Kultur und Unterhaltung | Mode und Kosmetik | Andere Sprachen - anderes Leben | Photographie | Hobbies aller Art
Leider muss ich jetzt schlafen, ich mag die Schreibweise und von Thema ist es gut aufgezogen
*Was, wenn Sina nicht schwanger werden kann? Wenn Mona nie Kinder bekommen hätte? Wäre die Welt dadurch ein besserer Ort? Ja, findet Klimaaktivistin Eva Lohaus: Nur ein Geburtenstopp kann unseren Planeten noch retten. Während sie mit den Konsequenzen ihrer radikalen Vision kämpft, hadern die Schwestern Sina und Mona mit ihren eigenen Lebensentwürfen. Aus der Ferne beneiden, aus der Nähe bemitleiden sie sich, gemeinsam versuchen sie, Verantwortung und Erwartungsdruck zu widerstehen. Doch erst die Begegnung mit Monas neuer Nachbarin verändert unseren Blick aufs Muttersein wirklich. Was spricht heute gegen, was für eigene Kinder? In ihrer präzisen und bestechend schmucklosen Sprache erzählt Verena Keßler von vier Frauen, die ihre ganz eigenen Antworten auf diese Frage finden.*
@_tarasjugina_ , unter welchem Titel sind die Briefe an seine Mutter veröffentlicht?
Die Muttchen-Briefe: "Mein liebes gutes Muttchen du. Dein oller Junge. Briefe und Postkarten aus 30 Jahren"
Genau - ich habe nur die gelesen, irgendwann in den 80ern. Und fand, er hat sie ziemlich herablassend angeschrieben, auch über seine Freundin ist er sehr hergezogen. Es ist lange her, vielleicht habe ich Postives nur "abgenickt" und nicht mehr präsent.
Ich beschäftige mich seit einiger Zeit intensiv - also fast bis zur Besessenheit, weil das bei mir immer so endet - mit Erich Kästner. Ich habe lange einen Bogen um die Muttchen-Briefe gemacht, weil ich aus anderen Büchern schon einige Zitate daraus kannte und die Befürchtung hatte, dass sie mir meinen Kästner verderben würden. Jetzt lese ich sie gerade und sie sind tatsächlich schlimm - der ganze Tonfall, alles. Ich denke, die Muttchen-Briefe sind der denkbar schlechteste "Einstieg" in die Biografie oder das Wesen von EK. Man (v)erträgt sie besser, wenn man schon einiges über den Mann weiß - die Hintergründe der Mutter-Beziehung, aber auch wie und wer EK abgesehen von dieser einen Beziehung war. In den Briefen an andere Empfänger, die Sven Hanuschek herausgegeben hat - "Dieses Naja!, wenn man das nicht hätte!" bekommt man ein vollkommen anderes und wesentlich sympathischeres Bild von Kästner - freundlich, liebenswürdig, hoch intelligent, empathisch, stilsicher, witzig.
Die Muttchen-Briefe wurden von Luiselotte Enderle herausgegeben. Ich habe mich schon manchmal leise gefragt, ob die Art, wie sie die Kästner-Rezeption beeinflusste, so eine Art Rache an ihm war... Fakt ist, dass, wie ich neulich in einem Zitat las, Kästner ein kleines Rezeptionsproblem hat. Ah, ich hab's gefunden:
Zitat"Ein stilsicherer, von seinem schmalen Talent nicht von vornherein formal kastrierter Schriftsteller läuft immer Gefahr, von einer Zielgruppe immer nur mit einer Art seiner Artikulation angenommen, gekannt, geschätzt zu werden. Erich Kästners Unterhaltungsromane und Filme haben zum Teil ein Publikum, das den Mann, der sie geschrieben hat, ablehnen müßte, würde es ihn kennen, also seine politischen Gedichte gelesen haben."
(Werner Schneyder, "Erich Kästner. Ein brauchbarer Autor")
Ich würde hier noch die Muttchen-Schwärmerinnen nennen.
Wie gesagt, die anderen Briefen zeigen Kästner in einem anderen, weitaus sympathischeren Licht. Die Muttchen-Briefe sind durchweg in einer bestimmten Absicht geschrieben: es ging IMMER darum, die Mutter zu beruhigen und ihr zu versichern, dass es ihm gut geht und das alles in Ordnung ist. Man muss wissen, dass die Mutter quasi emotionalen Missbrauch am Kind EK beging (das quasi kann man eigentlich weglassen... es war Missbrauch). Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen. Unter anderem fand er als kleiner Junge mehrmals Abschiedsbriefe von ihr und suchte sie dann heulend in der ganzen Stadt, bis er sie auf oder vor einer Brücke fand. Und das ist nur EIN Beispiel. Natürlich hat EK seine Mutter trotzdem heiß und innig geliebt, und das Ungesunde und Abnorme der Beziehung wurde ihm dem Anschein nach nie bewusst.
Die Muttchen-Briefe sind interessant wegen der Entstehungsgeschichte der erwähnten Werke, richtig spannend wird's natürlich in der Zeit des "Dritten Reichs". Auch der Absturz vom umworbenen, umschwärmten, erfolgreichen Hans-Dampf-in-allen-Gassen zur Ratlosigkeit der frühen NS-Zeit ist gut zu verfolgen (er dachte, er könnte, wenn auch unter "strenger Zensur", weiterschreiben und veröffentlichen). Selbst wenn Kästner stets versucht, seine Mutter zu beruhigen und zu beschwichtigen und Ereignisse wie das Verhör durch die Gestapo herunterspielt. Die Bücherverbrennung kommt nicht einmal vor. Wie Kästner sich wirklich gefühlt hat - man weiß, wie traumatisch die Bücherverbrennung für ihn war - erfährt man aus DIESEN Briefen nicht. Er war überhaupt sehr verschlossen, aber einen Einblick in seine Verzweiflung und Isoliertheit bekommt man in den "Briefe(n) an mich selbst" aus dem Jahr 1940. In den Muttchen-Briefen klingt er hyperaktiv und oberflächlich.
In jedem Fall, ich fand die Lektüre nun nicht so schlimm wie erwartet, aber nur, weil ich mittlerweile fast den ganzen Kästner (für Erwachsene) gelesen habe. Mein Kästner-Bild bleibt zum Glück unbeschädigt. Die Kratzer und Macken, die es hat, mag ich ja... den glattgebügelten Kästner überlasse ich anderen.
Interessant ist, dass der Vater - Emil Kästner - so gut wie gar nicht vorkommt. Einmal diskutieren Mutter und Sohn darüber, dass "E." sich beschwert, weil sie für ihn die Abkürzung "EK" benutzen. Das ist schon sehr merkwürdig. Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass Emil Kästner NICHT der biologische Vater war, und Mutter und Sohn dieses Geheimnis miteinander teilten. Der Vater spielt tatsächlich überhaupt gar keine Rolle - genau mit diesen Worten antwortet Kästner später auch auf die Frage, ob er einen Beitrag für eine Anthologie zum Thema "Vater" schreiben wollte. Väter kommen bei Kästner entweder gar nicht oder nur als Randerscheinungen vor - so wie sein eigener (seine beiden eigenen?).
Dass Kästner seinem Muttchen die Wäsche schickte, war etwas, das er für SIE tat, nicht weil er zu beschränkt oder geizig war, eine andere Lösung zu finden. "Ihr Junge" war ihr Leben (mit dem Rest ihres Lebens war sie nicht sehr glücklich, eigentlich wäre ihr Leben mal ein interessantes Thema für eine wissenschaftliche Untersuchung) - das "Wäscheband" hielt SIE am Leben und gab ihr das Gefühl, weiterhin für ihren Jungen da sein zu können, es wurde nicht wegen seiner Bequemlichkeit aufrecht erhalten.
Witzigerweise hieß der vermutliche leibliche Vater auch "Emil" - Kästners Taufname war "Emil Erich".
"Wie ihr's euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen. Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt." Erich Kästner, Marschliedchen (1932)
Zitat von Nachtkatze im Beitrag #1732 Ich beschäftige mich seit einiger Zeit intensiv - also fast bis zur Besessenheit, weil das bei mir immer so endet - mit Erich Kästner.
@Nachtkatze, danke für diesen interessanten Beitrag, den ich mit Genuss gelesen habe!
(Dieses exzessive Beschäftigen mit bestimmten Autoren kenne ich von mir. Dazu müssen mir diese nicht unbedingt besonders sympathisch sein - nur nicht unsympathisch -, mich treibt da ein künstlerisch-biographisches Interesse an der jeweiligen Person.)
Zur Erklärung: ich greife hier eine Besprechung auf, die Galah im "Kairos-Thread" nebenan begonnen hat.
Galah hat vor Jahren Jenny Erpenbecks Erstling "Die Geschichte vom alten Kind" gelesen und suchte kurz Austausch.
Ich hatte es vorgestern gelesen und somit einen noch frischen Eindruck. Uns beide eint wohl das Gefühl des 'was will uns die Autorin sagen'?
@Galah, ich bin ziemlich ratlos gewesen bezüglich einer Interpretation. Zuerst dachte ich an eine Art Benjamin Button-Geschichte, die sich aber irgendwie umkehrt. So richtig zufrieden konnte ich damit nicht sein und dann habe ich leider gegoogelt. Jetzt sitzt mir das Ergoogelte sehr fest im Kopf. Also ich fand das Alte Kind als Sinnbild der DDR beschrieben.
Ich kann mich dafür erwärmen, will aber noch mal die drei Stellen im Buch nachlesen, die plötzlich in der Ich-Form verfasst wurden, weil mir die so gar nicht verständlich waren.
Zitat von Utetiki im Beitrag #1734Zur Erklärung: ich greife hier eine Besprechung auf, die Galah im "Kairos-Thread" nebenan begonnen hat.
Galah hat vor Jahren Jenny Erpenbecks Erstling "Die Geschichte vom alten Kind" gelesen und suchte kurz Austausch.
Ich hatte es vorgestern gelesen und somit einen noch frischen Eindruck. Uns beide eint wohl das Gefühl des 'was will uns die Autorin sagen'?
@Galah, ich bin ziemlich ratlos gewesen bezüglich einer Interpretation. Zuerst dachte ich an eine Art Benjamin Button-Geschichte, die sich aber irgendwie umkehrt. So richtig zufrieden konnte ich damit nicht sein und dann habe ich leider gegoogelt. Jetzt sitzt mir das Ergoogelte sehr fest im Kopf. Also ich fand das Alte Kind als Sinnbild der DDR beschrieben.
Ich kann mich dafür erwärmen, will aber noch mal die drei Stellen im Buch nachlesen, die plötzlich in der Ich-Form verfasst wurden, weil mir die so gar nicht verständlich waren.
Danke, Utetiki. Die DDR-Deutung teile ich nicht. Meine Vermutung ist, dass das u.a. deshalb reininterpretiert wurde, weil es im Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung kaum junge DDR-Autorinnen gab, und daher dieses Buch vom Feuilleton gehypt (und womöglich ein nicht vorhandener DDR-Bezug hineingedeutet) wurde. Ich hatte auch keinen Hinweis der Autorin selbst auf diese Deutung gefunden - Du? Wenn ja, bitte schicke mir einen Link. Noch verstehe ich nicht, inwiefern das Kind Sinnbild für die DDR sein soll. Wenn das Kind die DDR ist, wer sind denn dann die Klassenkameraden?
Meine Interpretation geht in die Richtung, wie ich auch Haushofers "Wand" verstehe: Ein Eskapisten-Szenario wird durchgespielt in der schärfsten Konsequenz. Die Protagonistin will nicht auf Erwartungen der Außenwelt reagieren, nicht mal darüber nachdenken, will Reize und Gefühle von sich fernhalten, was ich als starke Ausprägung von Autismus und Unfähigkeit, Erwachsenen-Verantwortung zu tragen, las. Daher gibt sie sich als tumbes Kind aus; die Adipositas dient der Erschaffung von Geschlechtslosigkeit und dem Zudecken von zu starken Außenreizen. Ergibt das Sinn?
Wie drüben gesagt, gefällt mir das Buch gar nicht, obwohl ich Psychogramme sonst mag. Dies hier ist mir zu deskriptiv, es gibt keine Entwicklung (außer der Konsequenz am Ende, dass so eine Flucht dauerhaft nicht gelingen kann), keine Aussage, und der Grundtenor ist mir zu defätistisch.
Und dass Erpenbeck sich mit Ende 20 als 17jährige ausgegeben und einen Monat lang in eine Gymnasialklasse eingeschmuggelt hat, wie man ergoogeln kann, finde ich eher abstoßend und als Feldforschung für ihren Roman auch ungeeignet.
Zitat von Nachtkatze im Beitrag #1732 Ich beschäftige mich seit einiger Zeit intensiv - also fast bis zur Besessenheit, weil das bei mir immer so endet - mit Erich Kästner.
@Nachtkatze, danke für diesen interessanten Beitrag, den ich mit Genuss gelesen habe!
Das freut mich!
Übrigens ändert sich der Ton der Muttchen-Briefe im Lauf der Zeit. Ich kann es schwer beschreiben, aber was ich vorhin schrieb, nämlich dass ich sie "schlimm" finde, das würde ich jetzt so nicht mehr formulieren. Wahrscheinlich liegt es an den Umständen, aber der Ton wird im Laufe der Seiten ernster und echter.
"Wie ihr's euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen. Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt." Erich Kästner, Marschliedchen (1932)
Tolles Buch über schwierige Familienbeziehungen Eine Reise durch das ländliche Schweden. Ein zehnjähriges Mädchen und sein Vater, ein Mann mit seiner Frau in einer kriselnden Ehe und eine junge Frau auf der Suche nach den Antworten zu ihrer Kindheit. Sie alle sind unterwegs nach Malma, weil sie hoffen, dort die Lösung für ihre dysfunktionalen Familienbeziehungen zu finden.
Die Geschichte ist gut konstruiert, wie die verschiedenen Reisen und Personen letztlich zusammengehören. Die Zugreise strukturiert die gesamte Geschichte, obwohl man durch Rückblenden während der Reise in die jeweilige Geschichte der Figuren eintaucht und vieles abseits der Bahnreise erfährt. Schulman ist eine emotionale Familiengeschichte gelungen, die gleichzeitig dramatisch und andererseits nicht übertrieben oder unglaubwürdig ist. Alle Figuren sind bemitleidenswert und es ist tragisch, wie sie in ihren Familiendynamiken gefangen sind. Das eigentlich Tragische an der Geschichte ist, dass vieles hätte anders verlaufen können, wenn die Figuren nur aus sich heraus gekonnt oder aus ihren Strukturen hätten ausbrechen können. Auch wenn die Handlungsbeschreibung dieses Buches zunächst eher langweilig klingt - entwickelt die Handlung einen stillen Sog und eine gewisse Spannung. Gleichzeitig geht es mit transgenerationalen Beziehungsproblemen oder gar Traumata um ein sehr ernstes Thema, das in einen angenehmen Erzählstil verpackt wird. Wechselnde Erzählperspektiven beleuchten die verschiedenen Probleme von verschiedenen Standpunkten, die alle nachvollziehbar und gerade dadurch besonders beklemmend und tragisch sind. Die Unfähigkeit der Eltern beeinflusst die Kinder ein Leben lang, selbst im Umgang mit ihren eigenen Kindern. Hier wird kein leichtes Thema verhandelt, doch "Endstation Malma" ist es ein beeindruckend einfühlsames Buch, das ich gern gelesen habe
@twix Schulmanns Bücher interessieren mich sehr und diese Reise liegt schon auf meinem SuB. Danke für deine Einschätzung diesbezüglich! Der Autor arbeitet in seinen Büchern sein eigenes Leben auf - ebenso erstaunlich wie erschreckend!
Ich hatte am Wochenende keine Zeit, aber jetzt gerade habe ich ein Interview aus 2011 gefunden, in dem Erpenbeck erklärt, der Vergleich mit der DDR "sei sicher nicht verkehrt". https://amerker.de/int61.php
@Twix ich habe erst vor kurzem "Verbrenn alle meine Briefe " von Axel Schulmann gehört und das hatte ebenfalls diesen stillen Sog entfaltet. Das hat mir richtig gut gefallen. Endstation Malma werde ich demnächst auf jeden Fall auch lesen.
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"We are all just walking each other home." Ram Dass, writer
Jan Costin Wagner habe ich schon gelesen. Mir gefällt der Schreibstil. Bei Medimops bestelle ich nicht mehr. Die letzten bestellten Bücher hatten eine ewig lange Lieferzeit und das letzte kam überhaupt nicht mehr an. Nein Danke.
Zitat von frangipani im Beitrag #1747Ein pädophiler Kommissar?? 😳
Finde ich auch seltsam und würde mich auch abschrecken. Ich möchte nichts über die Gefühle und Probleme Pädophiler wissen, damit sollen sich Psychologen beschäftigen. Schon die Vorstellung, welche Bilder das in meinem Kopf auslösen könnte, widert mich an.