Ich bin gerade dabei mich zu bewerben. Anscheinend hat sich der Arbeitsmarkt gedreht, ich bin recht erfolglos, habe aber auch Zeit, da ich mich aus einer Festanstellung heraus bewerbe. Allerdings zerbreche ich mir den Kopf darüber, wie ich mit meinem Lebenslauf umgehen soll in einem hypothetischen Bewerbungsgespräch:
Ich habe 2 sehr kurze Anstellungen (unter 3 Monate), nach denen ich grundsätzlich immer gefragt werde. Die eine kann ich gut erklären, bei der anderen bin ich gegangen, weil der AG die Gehälter nicht bezahlte.
Den AG gibt es immer noch (ist also nicht pleite gegangen), und man soll ja nicht schlecht über den AG reden.
"Passte beidseitig nicht" habe ich probiert, dann wird gefragt, was denn genau nicht passte.
Habt Ihr Tipps, wie man mit so etwas im Bewerbungsgespräch umgeht?
Je nachdem, wie es ansonsten so im Lebenslauf aussieht, würde ich die kurzen Jobs entweder komplett wegfallen lassen oder eine kurze Begründung hinzufügen. Wegfall der Lohnzahlung ist ein guter Grund, „nicht gepasst“ kein guter. Da werden schnell Animositäten befürchtet, die man ja durchaus dem AN anlasten kann.
Ein Amateur hat die Arche gebaut, Profis die Titanic.
Wer sagt denn, dass man "über den AG nicht schlecht reden soll"? Was tut der denn für Dich/hat er für Dich getan? Dich um Dein Geld geprellt. Einen neuen Job hat er Dir auch nicht besorgt, also würde ich durchaus Ross und Reiter benennen.
Ich bin immer davon ausgegangen, dass es generell sehr negativ ankommt, wenn man etwas Schlechtes über einen früheren AG sagt.
Belegen kann ich das natürlich theoretisch, ich habe mir das fehlende Gehalt über eine Anwältin geholt, die Anwaltsbriefe existieren ja noch (bis vor Gericht hat es der AG damals nicht kommen lassen).
Naja "nicht schlecht" über den Arbeitgeber reden heißt für mich, dass man nicht über ihn lästert oder seine Fähigkeiten in Abrede stellt - also eher auf der subjektiven Ebene.
Wenn mir ein Bewerber erzählt, dass sein Arbeitgeber ihm seinen Lohn nicht gezahlt hat und er deswegen gegangen ist, wäre das für mich (auch wenn ich es nicht überprüfe) keine "schlecht reden", sondern schlicht die Wahrheit und ein wirklich guter Grund dass das damalige Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde
- - - Freiheit ist, wenn jeder sich auf seine Art zum Deppen machen kann.
Wahrscheinlich war ich da einfach dumm (und habe mir u.U. so manches gute Gespräch versaut). Irgendwie hatte sich in meinem Hirn festgesetzt, dass "irgendetwas Negatives über den alten AG" ein KO-Kriterium für die meisten AG ist (auch dann, wenn es so objektiv negativ ist wie nicht gezahlte Gehälter).
Die Idee hinter dem "nicht schlecht über einen früheren AG" rede im Bewerbungsgespräch hat ja viel damit zu tun, dass ich als zukünftige Arbeitgeber mir überlege, wie der Bewerber irgendwann und irgendwo über mich reden wird.
Insofern erwarte ich eine gewisse nachlaufende Loyalität gegenüber früheren Arbeitgebern (auch Kollegen), aber Gesetzesverstöße dürfen durchaus benannt werden - da muss ich schließlich nichts befürchten, weil ich mich meinen Angestellten gegenüber korrekt verhalte.
- - - Freiheit ist, wenn jeder sich auf seine Art zum Deppen machen kann.
Hm, wenn Ihr Euch hier so einig seid, frage ich gleich auch nach der zweiten kurzen Stelle.
Ich habe nach einer privaten Katastrophe (Todesfall) den Job aus sehr emotionalen Gründen heraus gewechselt (in die Branche, in der mein verstorbener Angehöriger war). Hätte ich lassen sollen. Mein alter AG wollte mich unbedingt zurück (und hat sich das auch was kosten lassen) also habe ich diese überemotionale Fehlentscheidung korrigiert.
Das ist, was sich tatsächlich abgespielt hat - wie käme das bei Euch in einem Gespräch an?
Zitat von promethea71 im Beitrag #8 Insofern erwarte ich eine gewisse nachlaufende Loyalität gegenüber früheren Arbeitgebern (auch Kollegen), aber Gesetzesverstöße dürfen durchaus benannt werden - da muss ich schließlich nichts befürchten, weil ich mich meinen Angestellten gegenüber korrekt verhalte.
Also wenn man ein bisschen herumlavieren will, kann man sich mit "ungünstiger wirtschaftlicher Situation des damaligen Arbeitgebers zu der Zeit" behelfen. Der kann sich jetzt ja auch wieder gerappelt haben, aber man kann es einem Arbeitnehmern nicht verdenken, da Antennen dafür zu haben. Es gibt durchaus Konstellationen, wo jemand in Erwartung eines größeren Auftrags eingestellt wurde - und dann kam der Auftrag plötzlich nicht, und der AN sucht sich eigeninitiativ was anderes. Damit hat man jetzt nicht "schlecht" über den AG geredet, denn gerade bei kleineren Unternehmen kommt das immer wieder mal vor.
„Running is a mental sport, and we are all insane.“
"Everything happens for a reason. Sometimes the reason ist that you're stupid."
Zitat von Karina321 im Beitrag #10Hm, wenn Ihr Euch hier so einig seid, frage ich gleich auch nach der zweiten kurzen Stelle.
Ich habe nach einer privaten Katastrophe (Todesfall) den Job aus sehr emotionalen Gründen heraus gewechselt (in die Branche, in der mein verstorbener Angehöriger war). Hätte ich lassen sollen. Mein alter AG wollte mich unbedingt zurück (und hat sich das auch was kosten lassen) also habe ich diese überemotionale Fehlentscheidung korrigiert.
Das ist, was sich tatsächlich abgespielt hat - wie käme das bei Euch in einem Gespräch an?
Auch hier: ehrlich bleiben. Du hast einen Fehler aufgrund eines schlimmen Ereignisses gemacht und ihn wieder korrigiert. Kann es sein, dass Du generell etwas ängstlich bei Bewerbungsgesprächen bist? Bitte nicht als Angriff werten, es kling für mich so. Ihr seid beide "Geschäftspartner" in einem Bewerbungsgespräch. AG sucht, Du bietest. Du bist kein Bittsteller!
Zitat von promethea71 im Beitrag #8 Insofern erwarte ich eine gewisse nachlaufende Loyalität gegenüber früheren Arbeitgebern (auch Kollegen), aber Gesetzesverstöße dürfen durchaus benannt werden - da muss ich schließlich nichts befürchten, weil ich mich meinen Angestellten gegenüber korrekt verhalte.
Also wenn man ein bisschen herumlavieren will, kann man sich mit "ungünstiger wirtschaftlicher Situation des damaligen Arbeitgebers zu der Zeit" behelfen. Der kann sich jetzt ja auch wieder gerappelt haben, aber man kann es einem Arbeitnehmern nicht verdenken, da Antennen dafür zu haben. Es gibt durchaus Konstellationen, wo jemand in Erwartung eines größeren Auftrags eingestellt wurde - und dann kam der Auftrag plötzlich nicht, und der AN sucht sich eigeninitiativ was anderes. Damit hat man jetzt nicht "schlecht" über den AG geredet, denn gerade bei kleineren Unternehmen kommt das immer wieder mal vor.
Hätte der AG sich korrekt verhalten, hätte sie das Geld nicht einklagen müssen.
Nur, wenn ich meine eigenen Unterlagen sehen würde (das, was ich nicht ändern kann) wäre ich als Personaler sehr misstrauisch:
-seeeehr lange studiert -fast 1 Jahr gebraucht um die erste Stelle zu finden -dort nach 3 Monaten gekündigt -gut 2 Jahre auf der 2. Stelle -dann 2 Monate auf der dritten -und dann wieder (Stand jetzt ungekündigt) für ca. 7 Monate bei AG 2, auf einer Stelle die nach Führungsverantwortung klingt (also wieso sucht die schon wieder?) -und dann noch Frau Ende 30 und verheiratet
Gefühlt muss ich all das erstmal entkräften, bevor es ums Fachliche überhaupt geht.
Eine Mischung aus: - aus verschiedenen Gründen ist das allgemeine Betriebsklima im letzten halben Jahr richtig massiv abgesackt - ich hätte aufgrund gewisser langfristiger Änderungen in meinen Prioritäten (nein, keine Schwangerschaft) gerne was, wo ich mindestens 10 Jahre bleiben kann, und das ist bei "inhabergeführt, Chef über 60" so eine Sache.
Ich habe den Luxus, es nicht eilig zu haben - wenn das jetzt ein Jahr oder länger dauert, ist das ok, aber ich möchte ungern in einem Jahr erst anfangen zu suchen.
Wenn dich das beunruhigt, dass du nicht lange genug auf verschiedenen Jobs warst, könntest du jetzt diesen Job doch noch 1 Jahr oder so weiterführen. Und dann auf der Suche nach einer "neuen Herausforderung" sein, du willst dich eben entwickeln. Ich kenne diese Listen auch, warum einen jemand ablehnen sollte. Wichtiger scheint mir, genau zu begründen, warum die bei dem neuen AG landen willst, was dich an ihm begeistert. Eine Verbesserung der allgemeinen Lebensumstände scheint mir für jeden nachvollziehbar.
Zitat von Karina321 im Beitrag #14Eigentlich mag ich Bewerbungsgespräche sogar.
Nur, wenn ich meine eigenen Unterlagen sehen würde (das, was ich nicht ändern kann) wäre ich als Personaler sehr misstrauisch:
-seeeehr lange studiert -fast 1 Jahr gebraucht um die erste Stelle zu finden -dort nach 3 Monaten gekündigt -gut 2 Jahre auf der 2. Stelle -dann 2 Monate auf der dritten -und dann wieder (Stand jetzt ungekündigt) für ca. 7 Monate bei AG 2, auf einer Stelle die nach Führungsverantwortung klingt (also wieso sucht die schon wieder?) -und dann noch Frau Ende 30 und verheiratet
Du hast recht, da stellen sich erstmal viele Fragen.
ZitatGefühlt muss ich all das erstmal entkräften, bevor es ums Fachliche überhaupt geht.
Stimmt. Aber wenn sie dich einladen, haben sie offenbar den Eindruck, dass du das womöglich sehr gut kannst. Abhängig von der Branche und dem Arbeitsgebiet, in dem du dich bewirbst, ist es auch gut möglich, dass das alles kaum interessiert, sofern die due nötige Qualifikation hast.
L’homme n’est ni ange ni bête, et le malheur veut que qui veut faire l’ange fait la bête. S’il se vante, je l’abaisse; s’il s’abaisse, je le vante; et le contredis toujours, jusqu’à ce qu’il comprenne qu’il est un monstre incompréhensible. (Blaise Pascal)
Zitat von Karina321 im Beitrag #1Ich habe 2 sehr kurze Anstellungen (unter 3 Monate), nach denen ich grundsätzlich immer gefragt werde. Die eine kann ich gut erklären, bei der anderen bin ich gegangen, weil der AG die Gehälter nicht bezahlte.
Warum hat er denn nicht bezahlt?
Wenn er selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, kann man das doch gut so framen, dass es nicht ankommt wie "Arbeitgeber an den Pranger stellen".
L’homme n’est ni ange ni bête, et le malheur veut que qui veut faire l’ange fait la bête. S’il se vante, je l’abaisse; s’il s’abaisse, je le vante; et le contredis toujours, jusqu’à ce qu’il comprenne qu’il est un monstre incompréhensible. (Blaise Pascal)
Zitat von Karina321 im Beitrag #14Nur, wenn ich meine eigenen Unterlagen sehen würde (das, was ich nicht ändern kann) wäre ich als Personaler sehr misstrauisch:
Das wäre ich als Personaler in der Tat auch. Egal was du erzählst. Weniger wegen langem Studium, langer Stellensuche und Frau Ende 30, sondern weil du's bisher eben nirgendwo länger ausgehalten hast. Auf 3 verschiedenen Stellen. 2 Jahre ist nicht wirklich lange. Da würde ich mir als Personaler natürlich Sorgen machen, daß du in meinem Betrieb aus irgendwelchen Gründen auch nicht lange bleiben wirst.
Und mal ganz losgelöst von dem, was ein Personaler von dir denkt: Man muß wohl nicht besonders pessimistisch sein, um von 2023 nicht gerade super wirtschaftliche Performance zu erwarten, um's mal euphemistisch auszudrücken. Warum willst du dir das Risiko von neuer Probezeit und kurzer Betriebszugehörigkeit ausgerechnet jetzt antun? Ich würde da, wo du bist, noch mindestens nächstes Jahr verweilen. Betriebsklima wird bei Vielen momentan nicht gerade kuschliger. Der Chef über 60 wirds wohl hoffentlich noch ein paar Jahre "machen", dann kannste immernoch gucken...
Genau, Agathe, und genau, Weka. "Wirtschaftliche Schwierigkeiten" erwähnen, auf Nachfrage vielleicht fehlende Lohnzahlungen... Erstmal beim derzeitigen AG bleiben, aber Zeit nutzen - für Fortbildungen. Damit kann man sich später noch besser verkaufen.
Zitat von weka im Beitrag #21 Weniger wegen langem Studium, langer Stellensuche und Frau Ende 30, sondern weil du's bisher eben nirgendwo länger ausgehalten hast. Auf 3 verschiedenen Stellen. 2 Jahre ist nicht wirklich lange. Da würde ich mir als Personaler natürlich Sorgen machen, daß du in meinem Betrieb aus irgendwelchen Gründen auch nicht lange bleiben wirst.
Ja, sehe ich auch so. Bei uns sind das „Hygiene-Faktoren“, die bei mehren Kandidaten mit vergleichbarer Qualifikation als Entscheidungskriterium herangezogen werden. Plus: die tatsächliche Berufserfahrung ist hier nicht sehr umfangreich.
„Running is a mental sport, and we are all insane.“
"Everything happens for a reason. Sometimes the reason ist that you're stupid."
Zitat von Karina321 im Beitrag #1Ich habe 2 sehr kurze Anstellungen (unter 3 Monate), nach denen ich grundsätzlich immer gefragt werde. Die eine kann ich gut erklären, bei der anderen bin ich gegangen, weil der AG die Gehälter nicht bezahlte.
Warum hat er denn nicht bezahlt?
Wenn er selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, kann man das doch gut so framen, dass es nicht ankommt wie "Arbeitgeber an den Pranger stellen".
Kleines Startup, einige idealistische AN (nicht Mitgründer!) auch auf der ersten oder zweiten Stelle, die (wirklich!) meinten, Geld verlangen wäre egoistisch.
Und ein AG, der mir auf Nachfrage tatsächlich sagte "Dein Mann verdient doch Geld".