(Liebe Mods, so ganz glücklich bin ich mit dieser Rubrik nicht, da es mir um keinen konkreten Trauerfall, sondern eine Art der Recherche geht. Wenn möglich, bitte in einen besseren Bereich verschieben, danke!)
Vor einigen Tagen habe ich (Österreicherin) mich mit einem guten Freund aus D. unter anderem auch über das Thema "Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Bestattungskultur" unterhalten. Laut seiner Aussage wird in den letzten Jahren den Angehörigen wieder vermehrt die Möglichkeit zu einer offenen Aufbahrung / persönlicher Abschiednahme vor der Beisetzung angeboten - und wohl auch angenommen. (Immer vorausgesetzt, dass der "Zustand" des/der Verstorbenen dies zulässt.)
Meine Mutter (Jg. 1934) hat solche Aufbahrungen als Kind und Jugendliche noch miterlebt, aber seit den 70-ern nicht mehr. Ich kenne noch eine hier regional vereinzelt übliche Sonderform mit einer Glasscheibe im Sargdeckel, so dass ich z.B. meine Großeltern jeweils nochmals sehen konnte.
Bitte berichtet mir - unter grober Angabe des Bundeslandes oder der Region über Euer Wissen und Eure Erlebnisse zu dieser Thematik. Zu guter Letzt werden diese Informationen (ohne Namensnennung) in einen Artikel oder Podcast einfließen.
Hier bei uns gibt es eigentlich keine offene Verabschiedung. Habe ich noch nie erlebt, immer nur verschlossener Sarg oder Urne.
Sehr viel war jetzt am geschlossenen Sarg innerhalb einer Zeitangabe in der Traueranzeige von 2 h eine persönliche Verabschiedung möglich, und die Trauerfeier selber ist rein in der Familie. Das hat sich unter den Coronabedingungen ziemlich etabliert.
Ansonsten: Meistens Trauerfeier mit verschlossenem Sarg (vor Corona), der im Falle einer Verbrennung danach zur Einäscherung gefahren wird.
Auch die Traueranzeigen sind nun eigentlich meistens nach der Beerdigung in der Zeitung: "Haben im engsten Familienkreis Abschied genommen".
Norddeutschland (Niedersachsen) und ein bisschen Fränkische Erfahrung (Bayern).
Nachtrag: Ok, das habe ich vielleicht falsch verstanden...Ich beziehe mich oben auf die öffentliche Abschiednahme und Trauerfeier mit anschließender Beerdigung.
Ansonsten haben ich bisher immer die Möglichkeit gehabt, mich alleine oder innerhalb der Familie über mehrere Tage von den Verstorbenen direkt mit komplett offenem Sarg zu verabschieden. Bis auf bei einem furchtbar zugerichteten Menschen (ermordet), und einem schrecklichen Unfall (auch am Kopf) habe ich es auch immer wahrgenommen, wenn es eine persönliche Beziehung gab. Die Bestatter hier haben inzwischen auch sehr viele Möglichkeiten (inkl. selber Sargbauen, fertigen Sarg bemalen/gestalten, viel Abschiedzeit,... im Angebot und nehmen Wünsche gerne auf. Ob man den Verstorbenen sehen darf, hängt von den Auftraggebern ab, das kostet immer extra und muss eben "freigegeben" werden.
An sich ist da schon unheimlich viel passiert und viel mehr Bedürfnisse können erfüllt werden.
Sich von einem Verstorbenen zu verabschieden ist auch ein Teil im Trauerprozess für die Hinterbliebenen...von daher ist das Trauerforum nicht die falsche Rebrik - finde ich.
Trauerkultur und somit auch Bestattungskultur kann sehr unterschiedlich sein. Meine Erfahrung: viele Jahre ging es in die Richtung, dass man das in der Öffentlichkeit möglichst schnell und schmerzlos über die Bühne bringen wollte -> weg von der Toten-Aufbahrung daheim; bei der Trauerfeier möglichst schon Sargdeckel zu und anschließend zackzack in die Erde/ins Krematorium. Und trauernde Hinterbliebene mögen doch bitte möglichst schnell wieder im gewohnten Alltag ohne Einbuße funktionieren und sich auch sonst wieder ins soziale Leben stürzen....trauern bitte still und leise allein daheim eigenen Kämmerlein!
Dieser Verlust an Trauerkultur tut vielen Menschen nicht gut, weshalb es immer mehr Initiativen und auch Bestatter gibt, die sich dafür einsetzen, dass wieder überhaupt so etwas wie Trauerkultur entsteht und auch sehr individuelle Wege möglich sind.
Ich habe in meinem Beruf als Altenpflegerin auch schon recht unterschiedliches erlebt: Da gab es Bestattungsinstitute, die erwiesen als "Müllentsorger der anderen Art" - Plastiksack auf, Toter rein, ab in die Transportkiste, den Angehörigen ausgeredet, die Toten nochmals zu sehen; Sarg später natürlich verschlossen: unmöglich wurde dadurch ein persönlicher Abschied, für Individuelles war man nicht aufgeschlossen, alles irgendwie unpersönlich/emotional kalt; eine Warenabfertigung....grauslich! Es gibt aber auch andere Bestatter, die empathischer mit den Toten und auch Angehörigen um zu gehen wissen. Die es ermöglichen, dabei zu sein und sich noch zu verabschieden, wenn jemand abgeholt wird oder es auch unterstützen, wenn Angehörige mnit dabei sein wollen, ihren Beitrag leisten möchten, wenn der Verstorbene vorbereitet wird für den Sarg. Bestattungsinstitute, die eine offenen Aufbahrung in ihren Räumen für mehrere Tage ernöglichen, damit auch entfernter Lebende noch anreisen können für direkte Verabschiedung. Möglichkeiten, Trauerräume+Särge ganz individuell zu gestalten und zu nutzen; Beerdigungen gemeinsam zu gestalten. Menschen, die sich viel Mühe geben, die Trauernden zu begleiten, damit diese ihren ganz eigenen Weg des Abschieds und durch die Trauer finden und gehen können.
Einen offenen Sarg bei der Trauerfeier habe ich selbst noch nie erlebt. Bei meinen eigenen Eltern hieß es, dass es nicht möglich wäre, die Toten nochmals zu sehen, schon gar nicht, weil ich nicht sofort vor Ort sein konnte. Am Arbeitsplatz klären wir es immer gemeinsam mit Angehörigen und dem möglichen Bestatter, wie lange Verstorbene noch in ihrem Heimzimmer bleiben. Einige nutzen die Trauerräume von Bestattungsinstituten, um gemeinsam im Kreis der Familie nochmals direkten Abschied nehmen zu können. Viele fragen aber auch, ob es möglich ist, dies im vertrauten Wohnumfeld zu machen. Dann haben Angehörige und auch Heim-Mitbewohner/Mitarbeiter die Chance, sich im Zimmer zu verabschieden, den Verstorbenen nochmals zu sehen oder auch zu berühren und je nach Wunsch zu beten/stillen Andacht zu halten oder auch einfach gemeinsam zu weinen -> Dann ist auch ein offener Sarg meist kein Thema, weil man sich ja bereits persönlich verabschiedet hat.
Ein Bestattungsinstitut hier in der Stadt bietet auch die Möglichkeit, dass Angehörige den Schlüssel zu ihrem Trauerzimmer bekommen und somit rund um die Uhr die Möglichkeit gegeben ist, dort immer wieder hin zu gehen, zu verweilen oder auch ganz dort zu bleiben (es gibt passend auch WC/Teeküche zur Nutzung) Ebenso wird auch Unterstützung angeboten, wenn eine Aufbahrung daheim gewünscht wird. Die Trauerteams (inzwischen gibt es 3 von ihnen in der Stadt) sehen sich nicht nur Dienstleister sondern als Wegbegleiter - sie begleiten die Toten, aber auch vor allem die Leben auf ihrem Trauerweg auch über die Beerdigung hinaus.
Kikiri - da hast du Recht: die Pandemie hat auch so manches verändert, weil zwangsweise durch die Vorgabe der Corona-Beschränkungen eben nicht alles wie zuvor ablaufen durfte.
oh ja. Manches zum Guten, manches einfach nur grausam... Die Trauerfeier meines Schwiegervaters (immerhin durfte er im Altersheim noch einzeln im Vollschutz verabschiedet werden) durfte nur mit 8 Personen stattfinden. Nicht mal alle Kinder waren erlaubt.
oh ja. Manches zum Guten, manches einfach nur grausam... Die Trauerfeier meines Schwiegervaters (immerhin durfte er im Altersheim noch einzeln im Vollschutz verabschiedet werden) durfte nur mit 8 Personen stattfinden. Nicht mal alle Kinder waren erlaubt.
😯 hatte er mehr als 7 kinder? (Also 8-trauerredner)
Einen offenen Sarg habe ich schon ewig nicht mehr erlebt. Meine Mutter habe ich im Krankenhaus verabschiedet und blieb so lange bei ihr, bis die Körpertemperatur spürbar abgenommen hatte. Für mich war es okay, sie so in Erinnerung zu behalten, ich hatte keinen Wunsch, sie noch einmal im Sarg zu sehen.
Ich finde es sogar besser, eine Trauerfeier am geschlossen Sarg oder an der Urne zu halten und ein Foto aufzustellen. Hier ist es inzwischen gang und gäbe.
Ich kenne die Abschiednahme vor der Bestattung, aktuell in NRW, wir durften uns in einem Raum des Bestatters verabschieden. Der Tote war mein Vater. Er war tiefgefroren, d.h., er war hart, nichts wirklich menschlisch an ihm. Ich kann das nicht empfehlen, es war grauenhaft, das Eis auf seiner Haut schimmerte wie Schneekristallle, es war unwirklich. Und nicht schön. Mein Großvater in 1977 wurde in der Kapelle aufgebahrt, man sah Oberkörper und Kopf, geschminkt, auch fern der Realität. Das war er und vor allem anderen auch nicht. Ich kann weder das eine noch das andere gutheißen. Ich hätte beide lieber wie in Lebzeiten in Erinnerung. Beides hat mich schockiert.
Ich lebe in einer Gegend (Niedersachsen), in dem vor Corona eine Trauerandacht ( öffentlich) ein oder zwei Tage nach dem Tod und vor der Beisetzung üblich war. Bedeutet: Wer möchte, von der Familie über Kollegen bis zu Nachbarn kommt und nimmt an einer etwa halbstündigen Andacht am offenen Sarg teil.
Gerade den Älteren ist diese Art der Andacht für den eigenen Tod wichtig.
Ich möchte das für mich nicht zwingend, überlasse die Entscheidung über meine Beisetzung allerdings evtl Hinterbliebenen und sorge nur für die nötigen Finanzen. Ich finde eine Beisetzung sollte in erster Linie den Hinterbliebenen bei der Trauerarbeit helfen. Schockierend oder erschreckend fand ich allerdings bisher noch niemanden, den ich so aufgebahrt gesehen habe.
Ich habe als Kind noch offene Aufbahrungen erlebt, allerdings nicht mehr zu Hause, sondern in der Leichenhalle. Als mein Großvater starb, 1967, wurde innerhalb der Familie noch kurz über eine offenen Aufbahrung geredet, sich dann aber dagegen entschieden.
Aus der Familie meines Mannes existieren Fotos von aufgebahrten Toten. Finde ich irgendwie geschmacklos.
Ich durfte mich von verstorbenen Angehörigen im Krankenhaus im Totenzimmer verabschieden und konnte sie da nochmal sehen.
In dem Altenheim, in dem ich früher arbeitete, wurden Menschen bei denen man das Ende nahen sah, in ein extra Sterbezimmer gelegt. Manchmal waren die Angehörigen dabei, meist aber lag der/die Sterbende da alleine und eine Schwester schaute nur immer wieder nach, befeuchtete die Lippen, entfernte den Schleim usw. War etwas Zeit, wurde auch kurz gebetet.
Ich werde niemals im Leben meine erste Tote vergessen. Ich war 18 und hatte ganz alleine Nachtdienst.
Vor Corona waren hier fast ausschließlich Erdbestattungen üblich. An den Tagen vor der Beerdigung Rosenkranzgebete in der Kirche. Jetzt nur noch Urnenbestattungen im Anschluss an die Trauerfeier in der Kirche. Dadurch, dass nur noch wenige Menschen teilnehmen durften, haben die Trauerfeierlichkeiten nicht mehr viel mit "feierlich" zu tun. Alles wird möglichst kurz gehalten, selten singt noch auf dem Friedhof der Kirchenchor. Früher zog die Trauergemeinde in einer lange Prozession von der Kirche zum Friedhof. Heute geht man einzeln oder fährt gleich mit dem Auto.
Hallo jofi und auch @ andere Interessierte - ich möchte einfach gerne herausfinden, wie das Thema Abschiednahme am offenen Sarg in den verschiedenen Gegenden des deutschen Sprachraums gehandhabt wird. Das Thema Begräbniskultur beschäftigt mich in meiner Freizeit seit rund einem Jahrzehnt. (Disclaimer: ich habe auch zahlreiche andere Interessen . ) Als mein Vater 2015 mit 79 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit auf der Palliativstation unseres Landeskrankenhauses verstarb, hatten Mutter und ich noch am gleichen Vormittag die Möglichkeit, uns von ihm in einem seperaten Zimmer individuell zu verabschieden. Ich kann nur für mich sprechen - der Anblick war versöhnlich und meine Trauerarbeit noch ein Stück weiter erleichtert.
Zitat von caramia_2.0 im Beitrag #11Ich habe als Kind noch offene Aufbahrungen erlebt, allerdings nicht mehr zu Hause, sondern in der Leichenhalle. Als mein Großvater starb, 1967, wurde innerhalb der Familie noch kurz über eine offenen Aufbahrung geredet, sich dann aber dagegen entschieden.
Aus der Familie meines Mannes existieren Fotos von aufgebahrten Toten. Finde ich irgendwie geschmacklos.
Ich durfte mich von verstorbenen Angehörigen im Krankenhaus im Totenzimmer verabschieden und konnte sie da nochmal sehen.
In dem Altenheim, in dem ich früher arbeitete, wurden Menschen bei denen man das Ende nahen sah, in ein extra Sterbezimmer gelegt. Manchmal waren die Angehörigen dabei, meist aber lag der/die Sterbende da alleine und eine Schwester schaute nur immer wieder nach, befeuchtete die Lippen, entfernte den Schleim usw. War etwas Zeit, wurde auch kurz gebetet.
Ich werde niemals im Leben meine erste Tote vergessen. Ich war 18 und hatte ganz alleine Nachtdienst.
Vor Corona waren hier fast ausschließlich Erdbestattungen üblich. An den Tagen vor der Beerdigung Rosenkranzgebete in der Kirche. Jetzt nur noch Urnenbestattungen im Anschluss an die Trauerfeier in der Kirche. Dadurch, dass nur noch wenige Menschen teilnehmen durften, haben die Trauerfeierlichkeiten nicht mehr viel mit "feierlich" zu tun. Alles wird möglichst kurz gehalten, selten singt noch auf dem Friedhof der Kirchenchor. Früher zog die Trauergemeinde in einer lange Prozession von der Kirche zum Friedhof. Heute geht man einzeln oder fährt gleich mit dem Auto.
Hallo caramia, danke für Deinen interessanten Beitrag. Die "sechziger Jahre" scheinen bei Dir, bei mir und in vielen anderen Familien ein Wendepunkt in Sachen Bestattungskultur gewesen zu sein.
Mein Blick auf diese Geschehnisse ist eher der einer Historikerin - aber ich kann es sehr gut nachempfinden, wenn Du beim Gedanken an verstorbene und fotografierte Angehörige schlechte Gefühle hast.
Meine erste Verstorbene war Oma Josefa, die zuvor fast ein Jahr lang bettlägerig gewesen war. Mutter holte mich und eine (erwachsene) Nachbarin ins Sterbezimmer, ich habe dann (1979) freiwillig die Sterbegebete aus dem damaligen kath. Gebetbuch vorgebetet. Das war kein Problem für mich (damals fast 11).
Oma J. wurde dann allerdings auch im verschlossenen Sarg beigesetzt.
Zitat von Lady Emelia im Beitrag #12Hallo jofi und auch @ andere Interessierte - ich möchte einfach gerne herausfinden, wie das Thema Abschiednahme am offenen Sarg in den verschiedenen Gegenden des deutschen Sprachraums gehandhabt wird. Das Thema Begräbniskultur beschäftigt mich in meiner Freizeit seit rund einem Jahrzehnt. (Disclaimer: ich habe auch zahlreiche andere Interessen . ) Als mein Vater 2015 mit 79 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit auf der Palliativstation unseres Landeskrankenhauses verstarb, hatten Mutter und ich noch am gleichen Vormittag die Möglichkeit, uns von ihm in einem seperaten Zimmer individuell zu verabschieden. Ich kann nur für mich sprechen - der Anblick war versöhnlich und meine Trauerarbeit noch ein Stück weiter erleichtert.
gefettet von mir das es nur um den deutschen sprachraum geht, solltest du bitte im eingangsbeitrag erwaehnen
Hallo caramia, danke für Deinen interessanten Beitrag. Die "sechziger Jahre" scheinen bei Dir, bei mir und in vielen anderen Familien ein Wendepunkt in Sachen Bestattungskultur gewesen zu sein.
Mein Vater ist Pfarrer. Er sagt, dass er eine Aufbahrung oder Verabschiedung am offenen Sarg fast ausschließlich bei Russlanddeutschen erlebt, dort aber fast jedes Mal.
Ich erinnere mich daran, dass meine Patentante gerne mit mir als Kind auf den Friedhof ging, um "Tote" zu gucken, die in der Leichenhalle aufgebahrt durch die gläserne Eingangstür zu sehen waren. Ich fand das immer gruselig. Ich denke heute, dass das eine Form von Voyarismus war. Als mein Vater starb, wollte meine Mutter ihn nochmal am Tag der Beerdigung sehen. Ich bin mitgefahren und muss sagen, das war nicht mehr mein Vater. Als meine Mutter bei uns starb, waren wir, bis der Leichenbestatter kam, bei ihr und konnten so Abschied nehmen. Da brauchte es für uns keine Aufbahrung mehr. Meine Schwiegermutter war bei dem Rosenkranz am Tage vor der Beerdigung in der Kirche aufgebahrt. Sie war unmöglich geschminkt gewesen. Also ganz unterschiedliche Erfahrungen. Einen Toten noch einmal zusehen, ist eine sehr intime Angelegenheit und sollte wirklich den ganz engen Verwandten vorbehalten sein.
"Eines Tages wirst du aufwachen und keine Zeit mehr haben für die Dinge, die du immer wolltest. Tu sie jetzt."
Es war hier in Tirol sehr lange, sehr üblich offen aufzubahren - allerdings zu Hause. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kindergartenkind (Anfang 80-Jahre) zu einer solchen Aufbahrung mitgenommen wurde. Der Altbauer war gestorben.
Mein Schwager blieb 2005 noch 2 Tage bei uns zu Hause aufgebahrt. So konnten noch alle Abschied nehmen. Meine Mutter 2002 war auch 2 Tage zu Hause aufgebahrt. Das ist heute eher ungewöhnlich. Meist werden Tote sofort vom Bestatter mitgenommen. Die Konfrontation mit den Toten scheint mehr und mehr zu verschwinden.
Ich fand beide Aufbahrungen und die damit verbundene Möglichkeit Abschied zu nehmen sehr wohltuend. Der Körper meiner Mutter hat sich innerhalb kürzester Zeit nach dem letzten Atemzug so verändert, es war so deutlich, dass die Seele den Körper verlassen hat - das war irgendwie faszinierend und auch tröstend.
Ich habe vor kurzem zum ersten Mal eine solche Aufbahrungsfeier erlebt. Ich wohne in einer überwiegend evangelischen Gegend in Bayern. Bisher kannte ich nur Trauerfeiern mit geschlossenen Särgen. Und ich denke die größte Mehrzahl aller Trauerfeiern hier ist auch nach wie vor mit geschlossenem Sarg. Bei meiner katholischen Oma war es vor fast 30 Jahren so, daß sie aufgebahrt war - allerdings konnte man sie da nur durch eine Glasscheibe sehen. Da ich sie bereits im Krankenhaus nach ihrem Tod noch sehen durfte, konnte ich mich vorher schon verabschieden. Aufgebahrt hätte ich sie gar nicht erkannt, wenn ich nicht gewusst hätte das sie es ist. Jetzt jedenfalls ist vor ein paar Wochen eine Freundin gestorben, die es ausdrücklich so wollte. Wenn ich gut aussehe, dann will ich aufgebahrt werden - so hatte sie es ihrem Lebensgefährten aufgetragen. Es gab dann einige Tage vor der Beisetzung eine kurze Aussegnungsfeier in der Friedhofskapelle - der Mitarbeiter vom Bestattungsinstitut hat dabei ein paar Worte gesprochen, aber überwiegend war Stille. Der Sarg war im Brust/Kopfbereich offen und sie war ziemlich stark geschminkt. Jeder durfte hingehen und man durfte sie auch berühren. Ich hatte vorher noch niemanden gesehen, der schon vor ein paar Tagen verstorben war, nur Menschen die gerade erst gegangen sind. Aber selbst wenn jemand gerade erst starb, ist es doch schon so, daß die Körperhülle nicht mehr so wirklich wie der Mensch ausschaut - zumindest empfand ich das immer so. Bei meiner Freundin war dies jetzt noch wesentlich stärker, durch das herrichten und schminken sah sie vollkommen "unecht" aus. Da hätte irgendwie auch eine Puppe liegen können. Meinen Abschied nahm ich im inneren von ihr. Das Aufbahren zuhause, so wie es früher einmal üblich war, ist vermutlich auch einfach dadurch kaum mehr üblich weil die wenigsten zuhause sterben - fast alle im Krankenhaus. Im Grunde finde ich die Möglichkeit den Verstorbenen noch einmal zu sehen und zu berühren gut und wichtig. Es lässt einen wirklich verstehen, daß da nur noch eine leere Hülle ist.
Meine Urgroßeltern und Großeltern wurden jeweils in einem gesonderten Raum der Friedhofakapelle aufgebahrt. Dort konnten die nächsten Angehörigen (Kinder und [Ur-]Enkel) sie noch einmal sehen. Im Gottesdienst waren die Särge geschlossen und mit Blumen geschmückt. Die Verstorbenen waren jeweils in Weiß aufgebahrt und die Bahre ebenfalls mit Blumen geschmückt. Das war BaWü, 80er und frühe Nullerjahre, in einer evangelischen Gemeinde. Mein Gefühl als Kind war, dass die Verstorbenen tatsächlich aussahen, als ob sie schlafen. Als junge Frau wollte ich die "Hülle", die nicht mehr meine Omi/mein Opi war, nicht dringend sehen. Aber für Andere war es wichtig und geschadet hat es auch wieder nicht.
Dieser Verlust an Trauerkultur tut vielen Menschen nicht gut, weshalb es immer mehr Initiativen und auch Bestatter gibt, die sich dafür einsetzen, dass wieder überhaupt so etwas wie Trauerkultur entsteht und auch sehr individuelle Wege möglich sind. [...]
Das und das ganze Post finde ich sehr wichtig.
"It has to be possible to feel the pain in one community without denying it to the other. It has to be!" John Oliver
Moderatorin in den Foren zu Beziehung und Sex, zu Kunst, Musik und Literatur, zu Politik und Tagesgeschen und zum Handwerken (warum auch immer). Ueberall sonst gilt: Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen.
Zitat von ereS im Beitrag #14 das es nur um den deutschen sprachraum geht, solltest du bitte im eingangsbeitrag erwaehnen
Diese Einschränkung ist unabsichtlich erfolgt, ich hatte beim Schreiben meines Beitrags UserInnen aus anderen Ländern gerade nicht auf dem Schirm, selbstverständlich interessieren mich alle Erfahrungen und Standpunkte!
Zitat von ereS im Beitrag #14 das es nur um den deutschen sprachraum geht, solltest du bitte im eingangsbeitrag erwaehnen
Diese Einschränkung ist unabsichtlich erfolgt, ich hatte beim Schreiben meines Beitrags UserInnen aus anderen Ländern gerade nicht auf dem Schirm, selbstverständlich interessieren mich alle Erfahrungen und Standpunkte!
oh ja. Manches zum Guten, manches einfach nur grausam... Die Trauerfeier meines Schwiegervaters (immerhin durfte er im Altersheim noch einzeln im Vollschutz verabschiedet werden) durfte nur mit 8 Personen stattfinden. Nicht mal alle Kinder waren erlaubt.
😯 hatte er mehr als 7 kinder? (Also 8-trauerredner)
Übrigens wurden teilweise Sargträger (4-6) mitgezählt, und der Pfarrer. Da war dann nur noch Platz für 1 Person. Ansonsten finde ich Deine Antwort übergriffig. Vielleicht hast Du es ja nicht so gemeint, aber als Hinterbliebene fühle ich mich nicht wahrgenommen. Es sind sehr viele Menschen gestorben, und die Abschiede (so es überhaupt einen geben konnte) waren furchtbar. Das ist alles OT, aber ich bin echt getroffen von Deiner Frage.
Antwort: 5 Kinder und eine Witwe. Diese Kinder haben jedoch Partner...Wenn man sich 36 Jahre kennt, möchte man sich schon verabschieden...und enge Freunde und Enkel gibt es auch... Ansonsten kenne ich mehrere Familien mit mehr Kindern (bis zu 10 Kindern). So ganz allgemein...und auch den jeweiligen Partner oder Eltern noch dazu.
Kikwri, Ich habe auch schon diverse sehr nahe, sehr geliebte Menschen verloren, weiß also, was Verlust bedeutet, was Abschied bedeutet.
In dem von dir geschilderten Erlebnis aber fand ich das Klagen uber die Anzahl möglicher Gäste seltsam. Denn erstens war und ist Corona, wo es besondere Bestimmungen gibt, und mit gutem Willen kann man sowas so planen, dass die wichtigen Leute teilnehmen können. Sargträger zb müssen nicht während der Trauerfeier in einem Raum dabei bleiben.
Jedenfalls fand ich dein Klagen über diese Situation angesichts anderer gravierender Einschränkungen für Lebende übertrieben.
Das war alles dazu und meine ganz persönliche Meinung zu einem geschilderten Vorgang. Wie gesagt: es ist eine Meinung zu einer Situation, die keine persönliche Komponente hat, du also nicht gekränkt sein musst, denn ich habe dich persönlich nicht angegriffen. 8
Wir wissen alle, dass Beerdigungen unter Pandemiebedingungen mit teilweise großen Härten für die betroffenen Angehörigen verbunden waren. Den Schmerz darüber kann man auch einfach mal so stehen lassen, ohne ihn zu bewerten oder zu relativieren.
Gruß,
Analuisa, Moderation
Das Schönste, was ein Mensch hinterlassen kann, ist ein Lächeln im Gesicht derjenigen, die an ihn denken.
************************************ Moderatorin in der Pandemie und der Politik, im Persönlichkeits-, im Familien- und im Trauerforum, bei den Angehörigen, im Glücklicher leben, in der Kindergesundheit und bei den Krebserkrankungen