Zitat von Pasdedeux im Beitrag #282 Was mich zu den USA bringt. Vielleicht hat @BlauesAuto da eine Idee: 1. Nach dem Bürgerkrieg heirateten doch die Yankees auch die Southern Belles, oder? 2. Wurde in den USA mit den ehemaligen Eliten anders umgegangen und könnte das daran liegen, dass man dort anders über Niederlagen redet als in Deutschland?
Ost/West/Nord/Süd-Vorurteile gibt's hier natürlich auch, wie überall auf der Welt (da gab's doch diesen netten französischen Film mit den Sticks). Eine Bekannte aus Boston meinte mal, sie würde nie nach Kalifornien ziehen, da man dort "sein Hirn an der Tür abgibt." Es gibt eigentlich für jeden Staat irgendeinen Witz; den mittleren Westen und Süden empfinde ich persönlich als unaufgeklärter und noch immer von einer starken Rassenproblematik geprägt (in a way, segregation has never ended). Ist das jetzt ein Vorurteil und auf alle Menschen dort anwendbar? Bestimmt nicht. Vieles kommt auch auf die jeweilige Politik (rote und blaue Staaten) an.
Durch den verlorenen Krieg brach die Sklaverei weg, das war ein starker wirtschaftlicher Einschnitt in den Südstaaten, und wurde als Untergang einer Era empfunden. Und jetzt, OT Ende.
Um gleich zum Thema zurückzukommen, ich finde Kairos doch tatsächlich sehr an Wolfs "Der geteilte Himmel" erinnernd: der erzählerische Stil des Rückblicks, die 19-jährige Protagonistin, die einen älteren Freund hat (der als Chemiker angestellt ist, wie Hans Frau), die unterschiedlichen Sichtweisen auf die DDR ... Bei Wolf werden die Anfänge der Republik beschrieben - 1961 kurz vor dem Mauerbau, bei Erpenbeck kurz vor ihrem Ende. Ich sage das jetzt ganz wertfrei, vielleicht zitiert die Autorin diesen Klassiker auch nur?
Ich bin noch nicht durch (gerade im Abschnitt, in dem sie vom Ernteeinsatz fliehen), aber ich finde es nahezu unerträglich, wie Hans die Untreue seiner Geliebten ewig und immer wieder hochwürgen und durchkauen muss, Katharina immer wieder maßregelt - ich kann das gar nicht begreifen, diesen psychischen Sadismus und dieses extreme Besitzdenken.
Hans blickt ja auch hin und wieder auf seine Kindheit zurück. Was meinen diejenigen unter euch, die eine Analogie zwischen "Liebes"geschichte und DDR sehen, dazu?
Zitat von Pasdedeux im Beitrag #275 Übrigens auch die Szene, als Hans zum Therapeuten gehen muss, und der auch so seine Machart zu sein scheint und die sich dann gegenseitig was von Hölderlin erzählen.
Da fand ich Hans' Verhalten doch recht nachvollziehbar. Zum Therapeuten geht man entweder, weil man es selbst will oder man kann es auch gleich bleiben lassen. "Fremdverordnet" bringt das nichts.
Zitat von Galah im Beitrag #244 Könnte bitte noch jemand Ostkundiges meine weiter oben gestellte Frage beantworten, ob das beschriebene Diebstahlsymptom ein flächendeckendes bzw. bekanntes Phänomen war?
Ich bin noch nicht an der Stelle im Buch und melde mich dazu ggf. später. Vielleicht bin ich aber zu jung gewesen, um das mitzubekommen.
@Galah, so, nun war ich bei diesem Kapitel: Nein, weder von mir, noch von anderen kenne ich das. Falls jemand in meinem Umfeld geklaut hat, hat er es nicht erwähnt und erst recht nicht als "Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen schlagen" gerechtfertigt. Den geschilderten Preisverfall am Beispiel eines Kleides, welches innerhalb eines Tages mehrfach massiv im Preis reduziert wird, halte ich auch für überzogen - ähm, einen Auswuchs schriftstellerischer Freiheit. Ebenso überzogen, die Leute in der DDR hätten prompt ihre alten Möbel auf die Straßen gestellt und ihre DDR-Autos. Da hat JE vielleicht in einer sehr wohlhabenden Gegend gewohnt (oder übertrieben) - bei uns im Ort konnte sich das keiner gleich mal eben leisten.
@BlauesAuto Ja, dankeschön, den zweiten Link hatte ich auch gefunden. Die Südstaatenfrauen hatten natürlich mit der Knappheit der Männer sowohl im Süden wie im Norden zu kämpfen. Und was du sonst geschrieben hast über die Nord/Süd/Ost/Westvorurteile - das scheint mir ein Grundzug des "Othering" zu sein, also andere über Negativbeschreibungen auszugrenzen und sich selbst so zu erhöhen.
Was den "Geteilten Himmel" anbelangt, ist es ja schon eine Weile her, aber der Mann bei Christa Wolf war jetzt nicht soooo viel älter, anders als Hans und Katharina. Und bei Hans in Kairos kommt natürlich auch dazu, dass zu dieser Zeit NOCH stärker als heute mit zweierlei Maß gemessen wurde: Was Männer sich herausnahmen, durften Frauen noch lange nicht.
Zitat von Pasdedeux im Beitrag #306Und bei Hans in Kairos kommt natürlich auch dazu, dass zu dieser Zeit NOCH stärker als heute mit zweierlei Maß gemessen wurde: Was Männer sich herausnahmen, durften Frauen noch lange nicht.
Ich hatte eher empfunden, dass die Frauen schon relativ frei wären, was sicher auch sehr an ihrer nahezu durchgehenden Berufstätigkeit lag. In den Nachwendejahren wurden dann viele in Abhängigkeiten zurück geworfen, weil eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte und gerade Frauen in "Männerberufen" deutlich schwerer Arbeit fanden als Männer. Ich hätte angenommen, dass diese Unabhängigkeit der Frauen sich auch auf ihr Liebesleben übertragen hat, aber möglicherweise täusche ich mich da ja.
Ich gebe als hier Mitlesende mal meinen Senf dazu, wenn erlaubt:
Das größte Problem aus meiner Sicht war seinerzeit der Wohnungsmangel, weshalb Ehen geschlossen wurden und es selbst nach der Scheidung problematisch war, das Zusammenleben unter einem Dach zu beenden. Da musste schon ein Partner/eine Partnerin vorhanden sein, zu dem/der man nach einer Scheidung ziehen konnte. Vermutlich auch einer der Gründe, weshalb Hans wieder zurück zu seiner Frau ist. Die Wohnung war an beide vermietet und seine Frau konnte ihn nicht einfach vor die Tür setzen, noch nicht mal wenn ihr im Falle einer Scheidung die eheliche Wohnung zugesprochen wurde.
Schreibt hier eine Zeitzeugin des älteren Datums, mit eigener bitterer Erfahrung, 3 1/2 Jahre nach der Scheidung endlich auch die räumliche Trennung erreicht zu haben.
Puls, du täuschst dich nicht. Eine meiner langjährigen Freundinnen, Jahrgang 66, würde ebenso eine gewisse Freiheit in "Liebesdingen" bestätigen wie ich. Ich werde sie mal fragen, ob sie "Kairos" gelesen hat und falls ja, was sie dazu meint.
Noch etwas zu dem ehemaligen Mitschüler: Ich kenne das Buch nicht, nur eure Ausführungen dazu. Der junge Mann kam möglicherweise von einer Reise zurück oder wollte Verwandte besuchen, ist ggf. selbst ausgereist. Er kannte das Umfeld Katharinas, also "100 % linientreu". Er muss kein Spitzel/IM gewesen sein. Sie im Transitraum zu treffen und auf Distanz zu bleiben, das Misstrauen auf beiden Seiten war groß genug, um auch zwischen "normalen Leuten" genug Nahrung zu finden.
Als eine ehemalige Mitschülerin trotz Westverwandtschaft plötzlich im ersten Valutahotel am Platze beschäftigt war, bin ich auch auf Distanz gegangen, guten Tag und guten Weg, jedoch keinerlei Persönliches mehr. Hat mich Jahre später bestätigt, bei der Lektüre meiner Akten.
Puls, du täuschst dich nicht. Eine meiner langjährigen Freundinnen, Jahrgang 66, würde ebenso eine gewisse Freiheit in "Liebesdingen" bestätigen wie ich. Ich werde sie mal fragen, ob sie "Kairos" gelesen hat und falls ja, was sie dazu meint.
Wenn ihr meint. Ich kenne das eher nicht so und frage mich auch, wie tiefgehend das frei gewesen sein konnte, wenn wir es heute nicht mal so richtig schaffen.
Dass die alten patriarchalischen Strukturen ja noch wie vor um diese Frauen herum existierten und sie den sicher nicht ganz entfliehen konnten. Auch in Beziehungen.
Zitat von Pasdedeux im Beitrag #306Und bei Hans in Kairos kommt natürlich auch dazu, dass zu dieser Zeit NOCH stärker als heute mit zweierlei Maß gemessen wurde: Was Männer sich herausnahmen, durften Frauen noch lange nicht.
Ich hatte eher empfunden, dass die Frauen schon relativ frei wären, was sicher auch sehr an ihrer nahezu durchgehenden Berufstätigkeit lag. In den Nachwendejahren wurden dann viele in Abhängigkeiten zurück geworfen, weil eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte und gerade Frauen in "Männerberufen" deutlich schwerer Arbeit fanden als Männer. Ich hätte angenommen, dass diese Unabhängigkeit der Frauen sich auch auf ihr Liebesleben übertragen hat, aber möglicherweise täusche ich mich da ja.
Ich glaube, Pdd bezieht sich hier auf die Situation, dass Hans 1. noch irgendwie mit seiner Frau zusammen ist 2. schon immer Geliebte hatte, 3. der Bedienung schöne Augen macht, etc. etc., während Katharinas 1x mit Vadim ein Jahr später immer noch Anlass zum Drama ist. Einzig die Freundin, die K. dann später hat, "die schöne Rosa", geht durch, gleich begleitet durch entsprechend schlüpfrige Sexfantasien (2F1M). Doppelmoral, die ihresgleichen sucht.
Ich bin tatsächlich auf eure Meinungen neugierig, wie so eine Liebesbeziehung mit so großem Altersunterschied überhaupt (dauerhaft) funktionieren kann. Ist der Ältere nicht per se der Überlegene?
PDD klares „Nein“ zur Frage der Erfahrungsüberlegenheit des Alters. „ Denn Weisheit Kind, wenn du die wirklich meinst- die kommt nicht mit dem Alter“ Sind/ waren Brigitte Macron, Hildegard Knef, diese englische Designerin, TinaTurner ihren Männern überlegen?
Allerdings - viele „hombrecitos“ glauben sie wären Prof. Higgins …..
Als ich studierte, hatte ich zwei Kommilitoninnen, die ihren Prof heirateten. Der war so im Alter der Eltern - ich sehe eher das Problem, dass es sich um zwei verschiedene Generationen handelt, Boomer heiratet Millenial, oder, was ist ein Pokemon? Ich bin auf den letzten Seiten, was bin ich froh.
Tja was ist dauerhaft. Ich habe eine Kollegin im gleichen Alter (42) die seit 12 Jahren mit ihrem 27 Jahre älteren Mann verheiratet ist und 2 Kinder im Alter von 8 haben. Bis jetzt läuft es super, da er fit ist kann er jetzt im Ruhestand vollumfänglich die Kinderbetreuung übernehmen während sie sich mächtig in die Karriere legt. Wie es in 15 Jahren aussieht wenn er gebrechlich ist, sie aber noch nicht mal in Rente, wird sich zeigen. Zumindest sind die Kinder dann aus dem Haus.
harder, better, faster, stronger
beatinge the competition ist easy, beating yourself is a never ending comitment
Ich habe es bestimmt schon mal geschrieben, meine Mutter ist ja mit einem 20 Jahre Älteren verheiratet. Ich sehe großes Machtgefälle, und sie muss ihn jetzt pflegen.
Zitat von Pasdedeux im Beitrag #318Ich habe es bestimmt schon mal geschrieben, meine Mutter ist ja mit einem 20 Jahre Älteren verheiratet. Ich sehe großes Machtgefälle, und sie muss ihn jetzt pflegen.
Das muss nicht zwangsläufig so sein! Eine frühere Arbeitskollegin pflegt seit 15 Jahren ihren Mann, der sieben Jahre jünger ist als sie. Ich pflege meinen, der vier Jahre älter ist als ich. Es gibt alle Variationen, und kein Mensch weiß, was die Zukunft bringt. An sich finde ich Partnerschaften im gleichen Alter am besten, weil man, was den Zeitgeist betrifft, dieselbe history hat. Aber auch das ist keine Garantie für eine "gefahrlose" Zukunft.
Auf dem Kindle bin ich zwischen 60 und 70% (inzwischen wohl eher näher an 70), und ich fühle mich wohl mit dem Buch, nur ab dem 2. Teil, als Hans Katharina immer ihre "Verfehlung" mit Vladimir vorhält und sie deshalb psychisch derart quält, hätte ich jedes Mal ausm Bett hüpfen können (ich lese abends im Bett), weshalb die den alten Dackel nicht endlich auf den Mond schießt. Moskau war dann soweit okay, weiter bin ich noch nicht, und jetzt mal gespannt, wie es weiter geht, wenn sie zurück sind.
Vorsicht mit dem Heiligenschein! Er könnte über die Augen rutschen.
Ich fand das erste Drittel des Buches gut, und jetzt, das letzte Drittel. Dazwischen: viel zu langatmig. Gäbe es diesen Strang nicht, hätte ich es vermutlich weggelegt. Später mehr.
Insgesamt betrachtet ist das Buch für mich kein Highlight.
Mir gefallen die Lücken nicht, z.B. dass das seltsame Verhalten des früheren Mitschülers im Transitbereich der Bahn nicht aufgeklärt würde.
Sprachlich ist das Werk okay, aber nichts Besonderes. Ich liebe es, wenn es Buch Sätze oder ganze Abschnitte enthält, die so schön geschrieben sind ("schön" nicht im romantischen Sinne, sondern richtig gut, "rund" und treffend geschrieben), dass ich sie zwei-, dreimal lesen möchte. Die gab es in diesem Buch für mich nicht.
Die Figuren des Romans leben schon in einem sehr privilegierten Umfeld, muss man sagen. Einiges entsprach schon dem DDR-Alltag (z.B. Erntehelfer-Einsätze), aber vieles auch nicht (gehobene Restaurants, junge Leute mit Besuchserlaubnis für die BRD, "mal eben als Single eine Wohnung finden (K.), zur gleichen Zeit wie der Liebhaber an der Ostsee (!) ein Ferienzimmer mieten können, ...)
Zum Thema Alkohol noch: Alkohol war ziemlich verlässlich in der DDR zu bekommen ("Opium fürs Volk") - die Spirituosen-Regale waren meiner Erinnerung nach immer gut befüllt. Sekt war aber beispielsweise sehr teuer - um die 20 Mark für eine Flasche. Bei Monatseinkommen von etwa 600-800 Mark ist das schon eine Hausnummer.
So, ich bin durch. Bevor ich mein Fazit hier reinstelle, eine kurze Frage. K. liest eine Stasiakte im letzten Kapitel, aber es ist nicht ihre eigene, sondern die von Hans, oder? Ging das denn überhaupt, Stasiakten von nicht-verwandten Personen ohne Einverständniserklärung anfordern? Und wenn wir schon dabei sind: gibt es ein gutes Buch über die Machenschaften der Stasi, das jemand empfehlen kann? Puls, ich hatte mit sehr ähnlichen Dingen meine Schwierigkeiten ...
Die Stasi-Akte kann man nur für die eigene Person einsehen. Es gibt noch Ausnahmen: verstorbene Geschwister, Eltern und/oder Großeltern, diese Akten kann man nur einsehen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht und glaubhaft gemacht wird. In allen Fällen muss man die Einsicht beantragen und den Antrag begründen. Danach wird die Relevanz und der Ablauf entschieden. Die Persönlichkeitsrechte anderer Personen werden gewahrt, indem die Namen geschwärzt und/oder abgedeckt sind. Ich konnte seinerzeit jedoch die mich betreuende Mitarbeiterin fragen, wenn ich eine Vermutung äußerte, hat sie das bestätigt oder verneint. Ansonsten erhält man keine Auskunft zu den Personen. Inwiefern man im Rahmen eines Strafverfolgungsverfahrens über einen Anwalt Auskünfte erhält, kann ich nichts sagen.