dieser Tage hat sich der Todestag meines Mannes wieder einmal gejährt.
Die Trauer um ihn ist mal mehr mehr, mal weniger präsent.
Wie ist es bei Euch?
Wie verarbeitet Ihr die Trauer um einen geliebten Menschen?
Wie habt Ihr vom Tod Eures geliebten Menschen erfahren? Wie geht Ihr mit dem Tod um? Was hat der Verlust mit dem geliebten Menschen aus Euch gemacht? Wie gestaltet Ihr Euer Leben nach dem Tod des geliebten Menschen? Hadert Ihr mit dem Leben und dem Schicksal?
Meine Erfahrung: Trauer hört auch nach zig Jahrzehnten nicht auf - sie verändert sich nur Tag für Tag.
ich kann nicht annähernd ermessen, wie es ist, seinen Mann zu verlieren. ist er schon lange tot oder erst kürzlich?
Ich habe meine Mutter im letzten und meinen Vater in diesem Jahr verloren, aber das ist der Zeitenlauf. Damit will ich sagen, meine Eltern waren schon beide über 90, ich habe ihnen den Tod "gegönnt". Hört sich sicher komisch an, aber ich hoffe, Du verstehst, was ich meine.
Bei meiner Mutter war es so, dass ich gerade in einer Kurklinik war, ich kam von einer Anwendung und fand einen Zettel auf dem Bett, dass ich mich im Schwesternzimmer melden sollte. Gleichzeitig auf dem Handy Telefonate in Abwesenheit und viele Whatsapps aus der Familiengruppe, dass es meiner Mutter schlechter ginge. Die letzte whatsapp war von meinem Mann, dass er sich auf den Weg mache, mich abzuholen. Ich packte, klärte mit dem Arzt, dass ich weg müsse und hoffte, dass ich noch zeitig genug bei meiner Mutter wäre. Sie war seit Jahren hochgradig dement, wir hatten die Rollen getauscht, ich war die Mutter und sie das Kind, sie war ca. zwei, drei Jahre und wusste nie, wo sie war, wer ich war. Sie wusste nur, dass sie nicht zu Hause war.
Mein Mann fuhr so schnell es möglich war, ich hatte so Sorge, das ich zu späte kommen würde. Aber war ich nicht. meine Schwester und meine Kinder wachten bei ihr, ich löste sie ab, damit sie sich ausruhen konnten (und meinen Kinder wollte ich das Sterben der Oma unbedingt ersparen). Mein Vater und ich haben meine Mutter in den Tod begleitet. Sie starb schwer, konnten wir ihr anfangs noch helfen - berühren, den Mund befeuchten usw - , war mir die letzten 20 Minuten so, dass ich sie nicht mehr berühren durfte; dass ich sie nicht "halten" durfte. Sie sollte frei gehen dürfen, dies hatte ich ihr aber auch schon Monate vorher gesagt. es war eine eigenartige, gespannte Stimmung, das spürten wir beide, Vater und ich. Dann kam der letzte Atemzug, und als ich dachte, das war es jetzt, kam noch einer. Dann war es vorbei.
Ich habe sehr geweint, aber nur kurz. Die eigentliche Trauer habe ich bereits vorher durchlebt, ich war jetzt eher erleichtert. Corona hatte gerade begonnen, und DAS - die Besuchseinschränkungen, Masken, keine Berührungen.... stell Dir ein kleines Kind in der Fremde unter solchen Bedingen vor. Das hätte ihrer Angst eine ganz neue Dimension hinzugefügt. Nein, ich bin dankbar! Dankbar, sie begleitet zu haben, und dankbar, dass sie Corona nicht erleben musste. Ganz sicher ist meine Trauer, die ja durchaus immer mal da ist, nicht vergleichbar einer Trauer, den Lebensmenschen (oder - Gott bewahre - ein Kind) zu verlieren. Ich hoffe, Du hast Dich mit Deinem neuen, anderen, so nicht geplanten Leben anfreunden können!
Jetzt reicht es erst mal, merke ich. Geht doch unter die Haut. Evtl. schreibe ich später noch zu meinem Vater.
Aber ich wollte Dein Post nicht so ohne Antwort lassen.
(ich weiß gar nicht, wie man hier einen Smiley einfügt. Eine Kerze oder eine Blume fände ich schön. Denke Dir einfach eine Kerze für Deinen Mann und meine Eltern).
Bei mir ist es meine Schwägerin, die gestorben ist. Sie war da 7 Jahre alt, es war ein Badeunfall. Ich bin kurz danach 14 Jahre alt geworden. Meine Familie und die meines Mannes sind Nachbarn, wir kennen uns schon unser ganzes Leben und wir waren schon damals zusammen.
Meine Eltern haben uns davon erzählt. Mein Vater war da gerade mit der Notfallseelsorge dran (er ist Pfarrer) und hätte eigentlich den Polizisten, der meinen Schwiegereltern die Nachricht überbringt, begleiten sollen. Als er erfahren hat, dass es um meine Schwägerin geht, hat er den Polizisten an einen Kollegen verwiesen - er konnte das nicht. Meine Eltern haben sich mit uns ins Wohnzimmer gesetzt und uns aus der Bibel vorgelesen (wenn ich mich richtig erinnere, ein Psalm und Römer 8). Dann haben sie es uns gesagt. Wir haben gemeinsam geweint und gebetet.
Ich habe mit Gott gerungen. Ich habe ihm vorgeworfen, dass er sie nicht bewahrt hat. Auf der anderen Seite brauchte ich aber auch die Hoffnung, dass sie jetzt bei ihm ist und dass ihr Tod bei ihm irgendeinen Sinn hat. Ich glaube, wenn mein Mann und ich nicht beide aus einem Elternhaus kommen würden, in dem der Glaube eine wichtige Rolle spielt, hätte uns ihr Tod verzweifeln lassen. Wir waren auch oft verzweifelt und zornig und ich verstehe den Sinn bis heute nicht. Aber ich habe Halt bei Gott gefunden und das Vertrauen, dass er einen Plan hat.
Ich denke, ihr Tod hat mich gelehrt, jeden Augenblick des Lebens zu genießen, gerade die Kleinigkeiten. Ich habe gelernt, auf die Guten Dinge zu blicken. Es klingt total verrückt, aber ihr Tod hat mir Lebensfreude geschenkt. Ich hatte schon ein Jahr vorher eine echt schwere Zeit (Handamputation) und ein Jahr danach wieder (da wurde bei meinem Vater Krebs diagnosiziert - er hat ihn zum Glück besiegt). Ich wollte nicht noch mehr bereuen.
Ich habe erlebt, wie Gott einen durch einen schweren Sturm trägt. Mir ist seitdem der Text aus Prediger 3 sehr wichtig geworden: "Alles hat seine Zeit ... weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit."
Nein, die Trauer hört nicht auf. Mal ist sie stärker, mal schwächer. Ich freue mich immer, wenn sich die Trauer mit einem Lächeln mischt, weil ich daran denken kann, dass sie ein fantastischer Mensch war.
Wir hätten unserer Tochter beinahe den Namen meiner Schwägerin als Zweitnamen gegeben ...
Hier die Kerzen für deinen Mann, Tabeas Eltern und meine Schwägerin 🕯️🕯️🕯️🕯️
vielen Dank für Eure Geschichten, die beide so unterschiedlich sind.
@Tabea, ich verstehe, was Du meinst, dass Du dankbar bist. In diesem Fall war der Tod wahrlich eine Erlösung.
@Rahel, Du hingegen warst bei dem Tod Deiner Schwägerin noch sehr, sehr jung. Ich denke, und das schreibst Du ja auch, wenn man in so jungen Jahren einen nahestehenden Menschen durch Tod verliert, verändert und prägt das das ganze Leben.
Mein Mann und ich waren kaum 18 als wir geheiratet haben. Mit knapp 19 riss ihn dann ein schrecklicher Motorradunfall aus dem Leben. Das war vor 44 Jahren. Bis heute ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht an ihn denke. Bis heute liebe ich ihn noch wie am ersten Tag als wir uns kennenlernten.
Natürlich geht das Leben weiter... Und natürlich lernt man auch wieder jemanden kennen. Ich habe sogar vor einigen Jahren mit Ende 50 ein zweites Mal geheiratet. Aber diese Ehe konnte nicht halten, da der Schatten meines ersten Mannes einfach zu groß und zu übermächtig war.
Komisch... erst durch diese zweite Ehe habe ich den Tod meines ersten Mannes akzeptieren können... und auch, dass er der einzige Mann in meinem Leben war/ist, den ich liebe. Denn nur weil jemand gestorben ist, hört die Liebe nicht auf. Ich habe endlich, endlich gespürt, dass in meinem Herzen nur Platz für einen einzigen Mann ist. Irgendwie ist das eine Befreiung: Zu akzeptieren, dass er nicht mehr körperlich anwesend ist, die Liebe jedoch ständig im Herzen ist.
Ich habe diesen Thread erstellt, weil ich uns Hinterbliebenen hier einen Raum geben möchte, um all unsere Gedanken und Trauer niederschreiben zu können - ungefiltert. Und wenn es sein muss, immer und immer wieder, weil ich weiß, dass man an manchen Tagen nicht weiß, wo man mit seinem Gedankenkarussell hin soll.
Ihr Lieben, ich danke Euch dreien für Eure Offenheit.
Glücklicherweise betrifft mich nur der Tod älterer Familienmitglieder. In den letzten Tagen habe ich oft an meine Oma Sefa (Josefa) gedacht, die am 26.11.1979 verstorben ist. Ich war damals zehn, war mit den Eltern und der Nachbarin im Sterbezimmer und habe die Totengebete für sie gelesen.
Ich bin Einzelkind und mit einem weiteren Einzelkind verheiratet.
Aus der Familie väterlicherseits gab es eben Oma Sefa und dann noch einen Onkel, der alles daran setzte, die Ehe meiner Eltern zu zerstören, während er seine krebskranke Frau mit ihrer Nachfolgerin betrog. Der dritte Bruder war 19, als er in der Ukraine als Kriegsopfer begraben wurde. Unser Sohn J. ist Onkel Felix wie aus dem Gesicht geschnitten.
Meine Mutter hatte 8 Geschwister, davon leben nur noch zwei Tanten, die ü 90 sind. Meine Mutter wird im Dezember 87, sie ist geistig voll da, aber der Körper hält nicht mehr stand. Ich war heute (zum 1. Mal???) allein am Grab meines Vaters, der 2015 verstorben ist, und habe ihm erzählt (laut, denn es war niemand in Hörweite) dass Mutter ihm vielleicht bald folgen wird - endlich - aus ihrer Sicht, und wie stolz er auf J. sein darf.
Mein nächstes Projekt wird der Kauf eines buchförmigen Gedenksteines für Felix (und später meinen Mann, der eine Flussbestattung möchte)
Ich möchte noch ergänzen - wie ich in einem BRI-Strang geschrieben hatte, dass meine Cousine und Taufpatin durch den Tod ihrer Mutter, meiner Tante Anni, seit letztem September "verwaist" ist, geschieden und ca. 68- jährig. Sie wird von meiner Mutter in täglichen Telefonaten aufgefangen.
Liebe Tante Anni, so schön, dass es Dich gab. Du fehlst mir sehr.
Da war mein Onkel "Franze", der mich als ich Teenie war immer damit veräppelt hat, den Namen meines Schwarms Andrea de Cesaris als "Jonsered" (Motorsäge). In einem schwachen Moment habe ich ihm versprochen , dass wir auf meiner Hochzeit miteinander tanzen würden, und so war es auch. Er war katholischer Messner mit Leib und Seele, bis er von Alzheimer betroffen war.
Onkel Adolf war Jahrgang 1936? er ist elendliglich, ohne palliativer Versorgung zu Hause an Magenkrebs verstorben.
Liebe "Dumpelza", der man 1972 verwehrt hat, Dein Kind Roland nach einem Unfall - er wurde als Fußgänger 19 jährig von einem Auto erfasst - noch ein letztes Mal zu sehen. Du warst trotz Deiner Trauer immer für meine kleinen Pubertätsprobleme da. Ich wünsche mir so sehr, dass Du und Roland... "will I see you in heaven..."Rolands Begräbnis ist meine erste bewusste Erinnerung. Wir Kinder gingen - die Mädchen in weißen Kleidern, wie zuErstkommunion, (und ich als einzige mit einer roten Strickjacke) dem Trauerzug voran. Danach gab es für uns Kinder Butterbrot mit Radieschen.
Lieber Cousin Roland D., leider kann ich mich nur an Dein Begräbnis erinnern. Das Kreuz, das an Dich erinnern sollte, ist gute 30 Jahre lang an der Bundesstraße in der Dobrowa gestanden.
Guten Abend. Vielen Dank, Magalie, für diesen Strang.
Mein Freund ist im Juli 2020 zuhause an seiner schweren Krebserkrankung verstorben, er hat die Diagnose zwei Jahre und zwei Tage überlebt. Er war so tapfer und voller Hoffnung. Ein SAPV-Team und ein Pflegedienst haben es ermöglicht, dass er daheim bleiben konnte. Wir waren 21 Jahre zusammen, lebten 20 Jahre zusammen. Es war oft schwierig, letztendlich habe ich ihn sehr geliebt.
Ich vermisse ihn sehr. Und ich finde es immer noch unfassbar, dass er einfach nicht mehr hier ist. Nicht mehr auf dieser Welt als Mensch. Und ich nicht weiß, wie es ihm geht, in welcher Form er jetzt ist, wenn überhaupt... Glaube hilft da sicher und tröstet.
Inzwischen gibt es auch wieder gute Tage, auch mehrere hintereinander. Im ersten Jahr nach seinem Tod war ich immer beschäftigt und sei es nur durch Angst haben. Seitdem der Schmerz anders, nicht mehr so vernichtend ist, bin ich sehr erschöpft. Auch das wird sehr sehr langsam besser.
Dass ich durch das Erleben seines Sterbens mein eigenes Leben mehr genießen würde, kann ich nicht sagen, vielleicht bin ich einfach noch zu kaputt. Langsam spüre ich aber doch eine Dankbarkeit, dass ich ihn begleiten konnte. Durfte. Die fürchterlichen Erlebnisse verblassen.
Es tut mir immer noch gut, von ihm zu erzählen, von diesen letzten Jahren, um zu begreifen, was war und er nun nicht mehr ist.
Zitat von Katta im Beitrag #8 Es tut mir immer noch gut, von ihm zu erzählen, von diesen letzten Jahren, um zu begreifen, was war und er nun nicht mehr ist.
Katta
Du weisst hoffentlich, WIE gut ich dich verstehe, Katta ...am besten geht es mir, wenn Tommy mit in meinen Gesprächen ist ... Alles Liebe dir
vielen Dank für Eure Geschichten rund um Eure Lieben. Ich betrauere mittlerweile meine Großeltern, einen sehr lieben Freund und vor allem den Tod meiner besten Freundin, die mehr wie eine Schwester für mich war. Wir haben uns mit Anfang 20 in der Berufsschule kennengelernt. Da hat sie gerade eine sehr schwere Zeit durchgemacht, denn ihre Mutter war gestorben, als sie 17 war und sie musste dann zurück zu ihrem Vater, den sie eigentlich kaum kannte. Die Beziehung meiner Freundin mit ihrem Vater ist bis zu ihrem Tod schwierig geblieben. Meine Freundin starb mit gerade mal 44 Jahren nach einem Routine-Eingriff an einer Embolie. Von ihrem Tod erfahren habe ich morgens um 6.00 Uhr durch einen Anruf meiner kleinen Schwester. Ich erinnere mich, daß sie mir sagte, daß Simone tot sei und ich habe angefangen zu schreien und zu weinen, wollte es nicht wahr haben. Da war an einem Donnerstag. Am darauffolgenden Samstag hatte ich die Möglichkeit, sie noch einmal zu sehen. Einerseits hatte ich Angst davor, aber ich wußte, ich würde ihren Tod nie begreifen können, wenn ich sie nicht wirklich im Sarg liegen sehe. Und es war tatsächlich unendlich schwer, aber auch eine Vergewisserung. Seitdem begleitet sie mich in meinen Gedanken jeden Tag. Bis jetzt (ihr Tod ist 7 Jahre her) habe ich es nicht übers Herz gebracht, ihre Handynummer aus meinem Telefon zu löschen. Und oft höre ich ihre Stimme oder ich träume von ihr.
****************************** Ich bin eine Fee - eine Katastro-FEE!
vielen Dank erst mal für Eure Geschichten und die damit verbundene Offenheit. Mir geht das, was ich hier lese, sehr zu Herzen - aber gleichwohl fühle ich mich in diesem unserem Kreis gut aufgehoben.
Ich würde so gerne die richtigen Worte des Trostes finden. Aber ich weiß natürlich aus Erfahrung, dass das gar nicht möglich ist. Ich wollte auch nie irgendwelche Worte hören. Ich wollte und will einfach nur reden, wenn es raus muss...
Heute ist wieder mal so ein Tag...
Nach meiner Erfahrung gibt es keine tröstende Worte - sondern nur Erleichterung, wenn da jemand ist, der einem zuhört und NICHT die Augen verdreht, wenn man in Endlosschleife immer wieder bzw. dann und wann das Thema zur Sprache bringt.
Mich überkommt z.B. heute noch eine unglaubliche Wut, wenn ich an den Tag denke, an dem mein Mann verunglückt ist.
Es war ein Sonntag. Er ist mit der Motorrad-Clique Freitag losgefahren und wollte Sonntagmittag pünktlich zum Essen bei seinen Eltern (meinen Schwies) zu Hause sein. Das Essen bei den Schwies war das allsonntägliche Ritual.
Wir, die Schwies, seine Geschwister und ich, saßen schon in der guten Stube und warteten darauf, dass er um die Ecke brummt. Nix passierte. Stattdessen fuhr ein anderes Motorrad auf den Hof. Es war ein Freund aus unserer Motorrad-Clique, der dort vor der Haustür stand. Ein Freund, der Tränen in den Augen hatte, um Fassung rang kaum ein vernünftiges Wort rausbekam... Ein Freund, der gerade Dienst hatte und in Polizeiuniform in der Haustür stand... !!!!!
Als ich den Freund gesehen habe, bin ich fast in Ohnmacht gefallen, weil ich sofort wusste, was passiert ist.
Er teilte uns dann mit, dass es einen Unfall gab, er aber leben würde und in eine Spezialklinik geflogen wurde. Das hieß, wir mussten mehrere Kilometer zu ihm fahren.
Ich war damals gar nicht dazu in der Lage mit den Auto zu fahren. Ich konnte ja nicht mal laufen, so gelähmt war ich. SchwieMu hatte zu dem Zeitpunkt noch keinen Führerschein. Und SchwiePa war angesoffen, weil er zuvor schon stundenlang beim Frühschoppen war. Telefon hatten die Schwies Ende der 70er noch nicht...
Das hieß, wir mussten erst mal bei den Nachbarn klingeln und darum betteln, dass uns jemand in die Klinik fährt. Das war so erniedrigend und fürchterlich...
Und als wir dann endlich in der Klinik waren, konnte man uns zunächst keine Auskunft geben, wie es um ihn bestellt war. Das Schlimme war: Noch bevor uns irgendjemand Auskunft gegeben hat, kam jemand vom Klinikpersonal mit einem blutigen Sack daher geschlurft. In dem Sack befanden sich die blutigen Sachen, aus denen man ihn herausgeschnitten hat. Man hat uns diese Sachen einfach so völlig kalt und herzlos vor die Füße geknallt.
Irgendwann in der Nacht kam dann ein Arzt, der uns über seine Verletzungen informiert hat. Das Entsetzen und Grauen nahm und nahm kein Ende. Denn: Er war regelrecht zerfetzt - aber er lebte.
Dass er diese Verletzungen nicht überleben würde, war von Anfang an klar. Nach 11 Tagen wurde er dann auch erlöst.
Diese 11 Tage waren insbesondere für meinen Schwager, der zu dem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt war, ein Trauma, dass er bis heute nicht überwunden hat. Seine Mutter bestand darauf, dass er jeden Tag (!) mit in die Klinik kommt. Mein Schwager ist aufgrund dessen heute ein Wrack... ständig in therapeutischer Behandlung.
Auch ich durchlebe diesen Tag... und die darauffolgenden 11 Tage in der Klinik immer und immer wieder.
Mit war vom allerersten Moment an klar, dass mein Mann den Unfall nicht überleben wird. Aber... die "Betreuung" durch die Ärzte und das Klinikpersonal war praktisch nicht vorhanden. Ich habe solch eine Kälte und Gleichgültigkeit nicht erwartet.
Heute weiß ich, dass ich viel zu naiv, zu jung und zu unerfahren war, um zu begreifen, wie so ein Klinik-Apparat läuft. Dennoch... das hat sich so eingeprägt...
Natürlich (!!!!) ist sein Tod das größte Unglück, das mich jemals heimgesucht hat. Aber das ganze Drumrum ist etwas, das mich immer - mein ganzes Leben lang - begleiten wird. Wie erwähnt, mein Schwager ist daran zugrunde gegangen...
Mein Schwager und ich sind auch die einzigen aus der Familie, die über all das seit 44 Jahren reden können und wollen, weil wir es brauchen. Ansonsten herrscht Schweigen in der Schwiegerfamilie. Mein Mann wird in der Familie seit seiner Beerdigung totgeschwiegen - das schmerzt noch mal zusätzlich...
Diese Endlosschleife kenne ich. Verdrehte Augen habe ich noch nicht gesehen in diesem Zusammenhang, aber davor fürchte ich mich. Dass jemand, der mir wichtig ist, bald sagt, jetzt ist's aber mal wieder gut. Ich habe eine tolle Ärztin, die mich durch die zwei Jahre der Krankheit und durchs erste Trauerjahr begleitet hat. In der ganz schweren Zeit konnte ich wöchentlich zu ihr, sie war da ein Anker, professionell und trotzdem mitfühlend.
Lyanna, ich hatte dir geantwortet, dachte ich, aber anscheinend nicht abgeschickt. Danke dir.
Hallo! Ich trauere auch. Um mehrere, ich werde bald was erzählen.. Dauerschleife:Ich kenne die Angst vor den rollenden Augen auch. Aber ich finde es toll, das ihr euch erinnert. und fühlt!! Echte Gefühle und Bindungen hören doch nicht einfach auf!
Ich fände es ganz schlimm, wenn unsere Lieben verleugnet würden. Das wäre Verrat.
Sei ein Mensch! (Marcel Reif zitiert seinen Vater)
auch Du schreibst von der Angst vor Endlosschleife und rollenden Augen. Daran sehe ich wieder einmal, dass ich mit dieser Angst nicht alleine bin und Ihr alle hier davor Angst habt.
Rollende Augen sind in dieser Situation etwas ganz Fürchterliches und Liebloses.
Was wollen oder sollen uns rollende Augen mitteilen?
Dass wir unsere Gefühle korrigieren und andere damit nicht mehr belästigen sollen? Darf man nur in einer fest vorgeschriebenen Zeit trauern - und muss man dann irgendwann mal damit abschließen?
Ich darf zwar jeden Tag davon sprechen, dass ich Hunger, Durst oder Appetit auf irgendwas habe. Und ich darf auch sieben Mal in der Woche sagen, dass ich Bock auf Bratwurst habe.
Aber dass ich seit 44 Jahren um meinen Mann trauere... nein, das will man nicht hören!
Ich kann nun mal meine Trauer um meinen Mann nicht "wegtherapieren" lassen... sie ist einfach da. PUNKT.
Auch diese Gefühle, und das Bedürfnis darüber zu sprechen, gehören zu mir. Und ich wünsche mir von meinem Umfeld, dass man mir diese Gefühle lässt.
Gestern hatte ich ein Telefonat mit einem alten Bekannten, der meinen Freund auch kannte, aber noch nicht wusste, dass er gestorben war. Manche Menschen können gar nicht mehr aufhören, zu erklären, warum das Leben so ist, alles normal... Sie wissen nicht, wie schrecklich das für den Trauernden ist. Bei vielen merke ich eine Unsicherheit dahinter, was soll man auch sagen angesichts des schrecklichen. Dann verfranst man sich vielleicht und weiß nicht, wie man die Kurve noch bekommen soll. Das Mitgefühl dahinter ist zu spüren. Und manche reden halt.
Das hat mich gestern sehr erschüttert, meine dünne Fassade bröselt weg. Wahrscheinlich war die völlig unerwartete Frage der Auslöser, ob mein Freund meine große Liebe war. Seitdem kann ich nicht mehr recht aufhören zu weinen. Denn das war er. Auch wenn's nicht einfach mit ihm war.
Zitat von Katta im Beitrag #15 Das hat mich gestern sehr erschüttert, meine dünne Fassade bröselt weg. Wahrscheinlich war die völlig unerwartete Frage der Auslöser, ob mein Freund meine große Liebe war. Seitdem kann ich nicht mehr recht aufhören zu weinen. Denn das war er. Auch wenn's nicht einfach mit ihm war.
Liebe Katta, diese "dünne Fassade" ist der Schild, der Dich davor bewahrt, dass der Schmerz Dich nicht komplett übermannt.
Der Schmerz kommt in Wellen. Und zwar so, dass man es gerade noch so aushalten kann, dass man daran nicht von jetzt auf gleich zugrunde geht. Irgendwie hat die Natur das so eingerichtet... ansonsten wäre man überhaupt nicht mehr handlungsfähig.
Seelischen Schmerz kann man - so meine Erfahrung - nur in kleinen Dosen ertragen. Aber wenn er sich dann bahnbrechen will, sollte man sich nicht dagegen wehren.
Dass Du weinst, ist gut... auch wenn Du Dich dabei mies fühlst. Ich drück Dich mal ganz doll
Seit dem Tod meines Mannes teile ich alles in ein "Davor" und "Danach" ein. Ich mach das seit 44 Jahren.
Wenn ich z.B. ein bestimmtes Lied höre, einen bestimmten Geruch wahrnehme oder irgendwas anderes erlebe oder sehe, sortiere ich das sofort und automatisch ein. Ich denke dann immer: Das war, als er noch lebte. Oder: Das war, als er schon tot war.
Kennt Ihr das?
So geht es mir z.B. mit unseren Eheringen.
Ich würde sie so gerne an einer langen Kette nahe des Herzens tragen, weil sie wirklich schön sind. Ich kann das nicht! Unsere Hochzeit und sein Tod liegen so nahe beieinander!
Stattdessen trage ich unsere Freundschaftsringe seit 48 Jahren an meiner linken Hand. Diese Ringe haben einen Wert von damals ca. 10 DM und sind beileibe keine gediegenen Schmuckstücke.
Ich habe Ringe in meinem Schmuckkästchen... teils geerbt, teils geschenkt.... Am liebsten würde ich diesen Schmuck verschenken oder wegschmeißen. Aber das bring ich auch nicht übers Herz.
Dabei würde ich gerne auch mal was richtig "Protziges" tragen wollen. Geht nicht. Meine Finger mögen das nicht. Und irgendwas in mir sträubt sich auch dagegen.
Danke Magalie, auch eine virtuelle Umarmung tut gut.
Ja, vorher und nachher... Ich habe ein paar Daten, an denen ich mich orientiere. Es gibt auch das vor und nach der Diagnose. Manchmal habe ich einen Gegenstand in der Hand und denke, dass es seiner war, ich habe immer noch das Gefühl von seins und meins.
Er hat viel Musik gehört und neulich habe ich was aus seiner Sammlung gehört und ein unglaublich schönes Lied entdeckt. Das war wie ein Geschenk, das er mir jetzt noch gemacht hat.
Wie erwähnt, trage ich unsere Freundschaftsringe links (auf der Herzseite) und am rechten Handgelenk täglich wechselnd eine andere Uhr. Ansonsten habe ich Tag und Nacht kleine Diamantstecker in den Ohren. Die jedoch reichlich (Erbstücke mit Erinnerungswert).
Apropos Musik...
Dass Du dieses Lied entdeckt hast in der Sammlung... ja, das sehe ich auch als Geschenk. Das war kein Zufall. Das sollte so sein, dass Du das entdeckt hast.
Ich bin ja der Ansicht, dass die Seelen unserer Liebsten noch da sind und uns in bestimmten Situationen Botschaften übermitteln. Ich habe das in diesen vielen, vielen Jahren schon so oft erlebt und immer ganz stark das Gefühl gehabt, dass er da ist und auf mich aufpasst und mir auf irgendwelche Art und Weise etwas mitteilen möchte.
Es gab auch Jahre, da dachte ich, dass er mich nun komplett verlassen hat, weil ich diese Seelenverbundenheit nicht mehr gespürt habe. ICH war immer da. Habe geweint, getrauert und mich nach ihm wie verrückt gesehnt. Aber von ihm kam kein Mucks... einfach weg.
Im Rückblick weiß ich dass dies Zeiten/Phasen waren, die ich alleine durchstehen musste. Ohne Botschaft von ihm.
Und dann, ganz plötzlich, war er wieder da.
Das letzte Mal habe ich vor ca. 3 Jahren etwas von ihm gehört/wahrgenommen.... ich weiß, das klingt völlig bescheuert. Aber mir ist jetzt auch klar, dass er bzw. seine Seele mich nur bis zu einem bestimmten Punkt in meinem Leben ständig begleitet hat. Und zwar genau so lange, wie es nötig war. Genau so lange bis klar war, dass ich seinen Tod akzeptiert habe und ich am Leben nicht mehr zerbreche.
Und diese Erkenntnis ist wie eine Erleichterung: Denn jetzt erst darf seine Seele in Frieden ruhen! Weil ich loslassen konnte.
Das ist fast so, als hätte seine Seele einen Auftrag gehabt. Dieser Auftrag ist abgeschlossen. So empfinde ich das.
Wenn ich im realen Leben über sowas sprechen möchte, glauben manche Leute, ich hätte einen an der Klatsche. Nein, das habe ich nicht.
Das ist nur meine Art, mit seinem Tod fertig zu werden. Nur so war und ist es mir möglich, ohne seine körperliche Anwesenheit weiterzuleben.
Den Gedanken finde ich wunderschön, dass er so lange nach dir gesehen hat, bis du mit dem Verlust umgehen kannst. Dass er auf dich aufgepasst hat.
Ich träume ab und zu von meinem Freund. Am Anfang ganz oft, jetzt monatlich oder alle zwei Monate. Bei den längeren Pausen denke ich, dass er nun weitergewandert ist, in ein neues Leben vielleicht, was weiß ich. Und ich habe Sorge, gar nicht mehr von ihm zu träumen, dabei wünsche ich ihm, dass er weiterziehen kann. Ich kann das nicht klarer formulieren. Die Träume mit ihm sind so intensiv, ich wache auf und kann mich an alles genau erinnern, ich schreibe dann auch gleich das wichtigste auf.
Sie haben sich in diesen nicht ganz anderthalb Jahren verändert. Anfangs sah er so krank aus wie er tatsächlich ausgesehen hatte am Ende, mittlerweile ist er meistens unversehrt. Aber immer ist uns bewusst, dass er sterben wird. Oder schon gestorben war und aus irgendeinem Grund zurückkommt, und ich überlege, wie wir einen neuen Personalausweis für ihn bekommen. Und wie ich erklären soll, dass seine Kleidung nicht mehr hier ist...
Zitat von Magalie_J im Beitrag #20 Dass Du dieses Lied entdeckt hast in der Sammlung... ja, das sehe ich auch als Geschenk. Das war kein Zufall. Das sollte so sein, dass Du das entdeckt hast.
Ich bin ja der Ansicht, dass die Seelen unserer Liebsten noch da sind und uns in bestimmten Situationen Botschaften übermitteln. Ich habe das in diesen vielen, vielen Jahren schon so oft erlebt und immer ganz stark das Gefühl gehabt, dass er da ist und auf mich aufpasst und mir auf irgendwelche Art und Weise etwas mitteilen möchte.
Ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir immer wieder kleine Zeichen bekommen.
Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge. Wilhelm Busch
Mein Lebensmensch ist vor 20 Jahren gestorben. 2 Wochen vor unserem zweiten Hochzeitstag und zwei Wochen vor dem Tag, an dem wir 27 Jahre zusamengewesen wären. Ich vermisse ihn heute noch genauso, auch wenn der Schmerz nicht mehr so akut und schneidend ist, sondern dumpfer geworden ist. Im Leben komme ich gut zurecht, aber es hat den Glanz verloren, die Farben. DAVOR war es anders, aber jetzt ist DANACH und es wird immer DANACH bleiben.
-------------------------- Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Freiheit.
ich muss oft an Dich denken, nachdem wir uns bereits im alten Forum über die Trauer unserer Lebensmenschen ausgetauscht haben. Lebensmensch... ja, das trifft es.
Obwohl es bei Dir völlig anders verlaufen ist, fühle ich mich dennoch mit Dir in der Hinsicht verbunden, weil auch bei mir die Jubel- und Trauerzeiten so nahe beieinander liegen:
Beide sind wir im Dezember 18 geworden und haben kurz vor Ultimo noch geheiratet. Im Jahr darauf ist er im November tödlich verunglückt.
Wir haben nicht einmal unseren ersten Hochzeitstag erleben dürfen. Deshalb ist von Oktober an bis hin Anfang Frühling die schlimmste Jahreszeit für mich.
Aber... dafür haben wir jedes Mal unseren Kennenlerntag zelebriert. Und der war im Sommer.
Ich hasse den Herbst/Winter. Ich hasse Weihnachten. Ich wünschte, ich könnte all diesem Weihnachtsgedöns mehr abgewinnen und alles wäre wie früher.
Zitat von Katelbach im Beitrag #23 DAVOR war es anders, aber jetzt ist DANACH und es wird immer DANACH bleiben.
Ja. Genau.
Bald wäre sein Geburtstag. Sein Grab ist nicht in der Nähe, und ich dachte, das würde mir nichts ausmachen. Als ich am Morgen nach der Beisetzung nochmal dort war, fand ich es schrecklich, jetzt auch seine Asche zurückzulassen. Jetzt geht es langsam. Aber immer, wenn ich am großen Friedhof hier vorbeifahre, bedauere ich es, mich nicht um seine Beerdigung gekümmert zu haben. Aber ich fühlte mich da nicht in der Lage. Es gibt so viel, das nicht mehr zu ändern ist. Keine zweiten Chancen. Das quält mich immer wieder.