Zitat von Nicolo im Beitrag #52In der Frage eine Cosco-Minderheitsbeteiligung am kleinsten Containerterminal des Hamburger Hafens sehe ich[...] keine Kontrolle über kritische Infrastruktur.
Kannst du es ausschließen, dass dieser chinesische Staatskonzern Einsicht in alle Daten, Geschäftsstrategien und Digitalisierung bekommt? ...
Nein. Ich kann nicht mal ausschließen, dass der chinesisches Staat oder Staatskonzern sich diesen Einblick auch ganz ohne Beteiligung verschafft.
Aber selbst in der Einsicht all dessen, so sie denn gegeben wäre, sehe ich darin keine Kontrolle von kritischer Infrastruktur. All diese Informationen berühren die Sicherheitsinteressen Deutschlands oder Europas m.E. nicht bzw. allenfalls marginal.
Art und Inhalt dieses Geschäfts sind eben was ganz anderes als die deutsche Abhängigkeit von russichem Gas und Öl.
Zitat... Ich kann mich nur darauf verlassen, was die Fachexpertisen sagen. ... Ich stelle nur fest, dass der Bundesnachrichtendienst, sechs Fachministerien der deutschen Regierung einschließlich Auswärtiges Amt, die EU-Kommission, Regierungen wie der USA, unser Bundespräsident und die meisten Fachleute gegen diesen Deal sind. Nur wenige wissen es besser…
Ist das so? Es sind nicht alle Fachleute gegen diesen Deal, es sehen ihn allerdings viele kritisch bzw. benennen mögliche(!) Risiken und Probleme. Es waren auch welche verlinkt würden, die das sehr differenziert betrachten.
Ich kenne ich die Einschätzungen der Ministerien und des BND nicht im Detail. Ich erspare mir auch die Auzählung all der Fäle, in denen unsere Fachministerien sich in der Vergangenheit geirrt oder falsche Entscheidungen getroffen haben - sogar in Fällen, in denen "das Falsche" offensichtlich war. Ich kann mich während der letzten 20 Jahre an keinerlei solch prominente Kritik oder Ablehnung beispielsweise an der wirklich katastrophalen Abhängigkeiten von russicher Energie seitens dieser Ministerien erinnern. Könnte also durchaus ein Motiv für die jetztige Haltung sein, lieber fünfmal zuviel als einmal zu wenig zu warnen oder dagegen zu sein, um bloß nicht in die Kritik zu geraten. Daher ist mein Vertrauen da nicht ungetrübt.
Es ist natürlich dennoch möglich sein, dass ich etwas übersehe oder falsch einschätze. Sicher ist, dass ich möglicherweise entscheidende Details dieses Vertrags nicht kenne.
Wie auch immer, das Beharren auf dem Geschäft ist m.E. ein politischer Fehler. Ein weiterer Konfliktherd innerhalb der Regierungskoalition, der EU und Nato schadet derzeit. Das ist es in der Sache nicht wert, und ich hätte an Scholz Stelle das "Veto" der Ministerien akzeptiert.
Heute hat Habek sein veto eingelegt bei zwei geplanten verkäufen, und niemand macht lärm deswegen.
Die Bundesregierung untersagt den Verkauf der Waferproduktion des Dortmunder Chiphersteller Elmos und der bayerischen Firma ERS Electronic an Investoren aus China.
Im Fall Elmos hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dem Kabinett vorgeschlagen, den Erwerb durch eine chinesische Firma zu untersagen. Ein Erwerb der Chipfabrik würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Deutschlands begründen, hieß es am Dienstag in Kreisen des Wirtschaftsministeriums.
"Mildere Mittel" als eine Untersagung - also etwa Auflagen - seien nicht geeignet, Gefahren zu beseitigen. WDR
... Deutschland ist bei der Ausrüstung seines 5G-Handynetzes noch abhängiger von Huawei als bei seinem 4G-Netz, trotz wachsender Sorgen über die chinesische Beteiligung an kritischen Infrastrukturen. Das zeigt ein Bericht der Telekommunikationsberatung Strand Consult.
Demnach ist Huawei für 59 Prozent des 5G-Netzes in Deutschland verantwortlich, also für die Basisstationen und die dazugehörige Infrastruktur, die Smartphones mit dem Netz verbinden. Beim älteren und leistungsschwächeren 4G-Netz beträgt der Wert 57 Prozent. Viele europäische Länder haben chinesische Unternehmen ganz oder teilweise aus ihren 5G-Netzen verbannt, aus Sorge, der chinesische Konzern könnte Daten abgreifen oder auf andere Weise die Telekommunikationsinfrastruktur schädigen. Die USA üben intensiven diplomatischen Druck in dieser Richtung aus....
Die Bundesnetzagentur verwies gegenüber Reuters auf eine Verordnung, die eine differenzierte Behandlung von Kern- und RAN-Komponenten vorsieht. Die Prozentzahl aus der Studie bezieht sich auf die RAN-Komponenten, die Abkürzung RAN steht für Radio Access Network. In den Kernkomponenten werden besonders sensible Daten verarbeitet, die gesetzlichen Hürden, bis ein Anbieter liefern darf, sind hier besonders hoch. Kritiker verweisen aber darauf, dass beide Bereiche so eng verflochten sind, dass der Einsatz von Huawei-Geräten hier wie dort ein Risiko darstelle.
Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD, wirft den Netzbetreibern vor, sich an die Mindestanforderungen des neuen Gesetzes zu halten, aber nicht an dessen Geist: »Wenn sich diese Haltung fortsetzt, müssen wir den gesetzlichen Rahmen verschärfen.«
Danke für die Info, Nicolo. Das schockiert mich, warum lässt man das zu? Das Netz ist lebensnotwendiger Bestandteil unserer Infrastruktur. Es entsetzt mich, dass Huawei dermassen Einfluss darauf hat. Mir war nicht bekannt, dass grosse Teile dieser Technik aus dem Ausland kommen und was China von Datenschutz hält, ist ja bekannt.
In den 90-ern war die Alcatel SEL AG (Stuttgart) im Bereich Mobilfunk führend. Die Abteilung, die diese Technik entwickelt hat, war CAD-Kunde von mir. Alles unterlag strengster Geheimhaltung. Heute scheint das ziemlich egal zu sein.
Zitat von luciernago im Beitrag #80Das schockiert mich, warum lässt man das zu?
Vielleicht braucht es noch einige Lektionen, bis man realisiert, welche Gefahr von China ausgeht. Die Gefahr existiert seit Jahrzehnten, aber sie hat es erst nach Putins Krieg langsam in die Köpfe gechafft, aber bei weitem nicht in alle Köpfe.
Vielleicht hängt die Langsamkeit des Prozesses auch damit zusammen, dass China sehr weit weg ist. Anders als etwa Russland steht China nicht fast schon vor der Tür. Dadurch erscheint vielleicht die Gefahr eher abstrakt, weniger greifbar, hypothetisch.
Zitat von luciernago im Beitrag #80... Das schockiert mich, warum lässt man das zu? Das Netz ist lebensnotwendiger Bestandteil unserer Infrastruktur. ...
Und die wird eben in privatwirtschaftlicher Regie betrieben. Da ist staatliche Kontrolle schwierig und es würde auch einen veritablen Shitstorm geben, wenn der Staat den privaten Unternehmen soweit hineinregieren würde, die zu verwendende Hardware bestimmen zu wollen.
Daher ja mein Credo: Infrastruktur (zurück) in staatliche Hände. Dann müssen Endkunden nicht die Profite zahlen, die damit gemacht werden, ohne die Chance zu haben, "auszuweichen". Und dann hat der Staat eben auch den Daumen drauf, wie (sicher und womit) so eine Infrastruktur aufgebaut und betrieben wird.*
Zitat... Mir war nicht bekannt, dass grosse Teile dieser Technik aus dem Ausland kommen ...
Wirklich nicht? Woher soll sie denn sonst kommen? Denn:
Zitat ... In den 90-ern war die Alcatel SEL AG (Stuttgart) im Bereich Mobilfunk führend. Die Abteilung, die diese Technik entwickelt hat, war CAD-Kunde von mir. Alles unterlag strengster Geheimhaltung. Heute scheint das ziemlich egal zu sein. ...
Du müsstet doch mitbekommen haben, wo u.a. das Alcatel-Geschäft hingewandert ist. Wie auch immer: Der unternehmenseigenen Geheimhaltung unterliegt das Zeug bei Huawei mit Sicherheit genauso wie bei Alcatel - unter Anderem das macht es ja so problematisch.
* Aber wie die Politik mit Infrastruktur in D aber immer noch umgeht, ist das Gegenteil:
... Ende 2010 kaufte Stefan Mappus (CDU) die Anteile der EnBW vom französischen Energiekonzern EDF zurück, die sein Parteikollege Erwin Teufel zehn Jahre davor veräußert hatte. Der sogenannte Mappus-Deal ging als "EnBW-Affäre" in die Geschichte ein, denn der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Mappus wickelte den Rückkauf am Parlament vorbei ab - und bezahlte wahrscheinlich zu viel.
Trotzdem sei der Kauf im Prinzip richtig gewesen, so der Infrastrukturexperte Lukas Vorwerk von der TU Berlin. "Mappus hatte immerhin verstanden, dass eine öffentliche Eigentümerschaft im Bereich der kritischen Infrastruktur und insbesondere im Bereich der Energienetze für die öffentliche Hand von Vorteil ist", so Vorwerk. "Einen zu hohen Preis bezahlen, sollte man dennoch nicht." ... Das grün regierte Baden-Württemberg plant den Teilverkauf eines Höchstspannungsnetzes - obwohl das dem grünen Bundeswahlprogramm widerspricht. ... Seit dem "Mappus-Deal" ist die EnBW wieder in der Hand des Landes Baden-Württemberg und seiner Kommunen. Dem Konzern gehört auch das Herzstück der Infrastruktur im Südwesten Deutschlands: das 3100 Kilometer lange Übertragungsnetz der EnBW-Tochter Transnet BW, mit dem etwa Windstrom von Offshore-Windanlagen im Norden in den Süden transportiert werden soll. Es ist eines von insgesamt vier Übertragungsnetzen in Deutschland, aber das einzige, das sich ganz im deutschen öffentlichen Eigentum befindet. ... Ausgerechnet dieses Übertragungsnetz von Transnet BW will die grüne Landesregierung zwölf Jahre nach dem Rückkauf der EnBW teilprivatisieren. Insgesamt 49,9 Prozent der Anteile sollen an private Investoren gehen, das Bieterverfahren läuft - ein Ansinnen, das bundesweit in die Kritik geraten ist.
Denn gerade bei der Netzinfrastruktur sei der wirtschaftliche Vorteil einer öffentlichen Eigentümerschaft besonders relevant, so der Wissenschaftler Vorwerk: "Der gesamte Netzbereich ist staatlich stark reguliert und faktisch mit einer garantierten Rendite versehen, die eindeutig oberhalb der Finanzierungskosten der öffentlichen Hand liegt". Die garantierte Rendite und die risikolose Investition mache das Übertragungsnetz auch für private Investoren interessant. ... https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tra...ierung-101.html
Nicht nur in vielerlei politischen Aspekten, sondern auch haushälterisch das Dämlichste, was mensch machen kann.