Angeregt durch die Initiative rund um Sentenzas Bestattung, durch ein paar akute Fälle in meinem Umfeld und durch Infos, die ich auf diversen Veranstaltungen bekam, moechte ich hier mal eine Initiative vorstellen. Es gibt sie schon seit 1999, gegruendet in Australien, aber sie ist inzwischen weltweit verbreitet.
Sie heisst ‘Compassionate Communities’. Urspruenglich ging es um Unterstuetzung von Menschen am Ende ihres Lebens, aber es gibt auch Aktionen, die weiter gehen - Hilfe in Alter und Einsamkeit, Unterstuetzung von Pflegenden und Angehoerigen, generelles ‘Awarenessbuilding’ (wie sagt man auf deutsch?)
Es gibt Einiges an Infos zu CC online, ich hab hier nur mal ein Zitat von der Seite einer solchen Initiative
At it’s core, Compassionate Communities, works within various settings in the community, from neighbourhoods and businesses, to hospitals and long-term care homes. It gathers support for people with life-threatening and life limiting illnesses, their families and caregivers, and those who are grieving. Compassionate communities recognizes that caring for others during times of crisis and loss is a social responsibility not just a medical one. These community supports can take the form of physical, psychological, social, or spiritual support, and should come from all aspects of life.
Currently, illness, dying and death are considered medical events. However, when broken down only around 5% of a dying persons time is actually spent with the medical system. The other 95% is spent at home or the community, either alone or if they are lucky with family and friends. That 95% is where Compassionate communities focuses its support, shifting support for those dying or grieving from the medical system into the community.
Quick and dirty uebersetzt:
Im Kern arbeiten Compassionate Communities in verschiedenen Bereichen der Gemeinde, von Nachbarschaften und Unternehmen bis hin zu Krankenhäusern und Pflegeheimen. Es sammelt Unterstützung für Menschen mit lebensbedrohlichen und lebenslimitierenden Krankheiten, ihre Familien und Betreuer sowie für Trauernde. Mitfühlende Gemeinschaften erkennen an, dass die Fürsorge für andere in Zeiten von Krisen und Verlusten eine soziale Verantwortung ist, nicht nur eine medizinische. Diese gemeinschaftliche Unterstützung kann die Form physischer, psychologischer, sozialer oder spiritueller Unterstützung annehmen und sollte aus allen Aspekten des Lebens stammen.
Derzeit gelten Krankheit, Sterben und Tod als medizinische Ereignisse. Aufgeschlüsselt werden jedoch nur etwa 5 % der Zeit eines Sterbenden tatsächlich mit dem medizinischen System verbracht. Die anderen 95 % werden zu Hause oder in der Gemeinschaft verbracht, entweder alleine oder, wenn man Glück hat, mit Familie und Freunden. Auf diese 95 % konzentriert Compassionate Communities seine Unterstützung und verlagert die Unterstützung für Sterbende oder Trauernde vom medizinischen System in die Gemeinschaft.
Ich war hier vor einigen Wochen bei einer Veranstaltung, geleitet vom Landesgesundheitsministerium, Abteilung Palliative Care. Es war eine interessante grosse Runde, wo bunt diskutiert wurde. Es steckt noch in den Anfaengen, ich hoffe, dass der Ball weiter am Rollen gehalten werden kann. In Zeiten von Vereinsamung, einer grossen Welle an alternden Menschen (Babyboomer!) und ueberlastetem Sozialsystem muessen neue und vielleicht kreativere Wege her.
Was meint Ihr? Oder ist es in Deutschland zb so, dass es schon genug staatliche Angebote und Helfer gibt?
"We can, in fact we must, continue to fight to make everything about society better, without destroying what's already great." Carrick Ryan, Australian political commentator
"We are all just walking each other home." Ram Dass, writer
danke für den Hinweis, das klingt interessant, was du schreibst.
Weißt du etwas darüber, wie diese Gruppen arbeiten? Woher bekommen sie z.B. die Infos über Personen/ Familien, die Unterstützung benötigen? Oder müssen die Angehörigen von sich aus an die Compassionate Community herantreten? Was, wenn es keine Angehörigen gibt, stellen dann die Profis den Kontakt her?
"Genug staatliche Angebote und Helfer" - nein, sicher nicht. Es gibt ja in Deutschland den Anspruch auf häusliche Versorgung durch Palliative Dienste, aber wie das ganz allgemein bei uns so ist im medizinischen und pflegerischen Bereich: natürlich haben die Professionellen begrenzte Zeitressourcen. Darüber hinaus gibt es Ehrenamtliche, die in sog. Hospizvereinen organisiert sind, vielleicht entsprechen diese am ehesten den CC. Allerdings ist mir nie einer begegnet, weder bei der Sterbebegleitung meines Vaters (allerdings habe ich auch nicht ausdrücklich darum gebeten. Im Nachhinein denke ich, es wäre vielleicht ganz gut gewesen), noch im beruflichen Rahmen. Möglich, dass sie nur ambulant tätig sind, ich weiß das ehrlich gesagt nicht genau, vielleicht arbeiten sie auch mit Hospizen und Palliativstationen zusammen. Das ist dann die Luxusvariante des Sterbens - auf Normalstation knappst sich das reguläre Personal die Zeit für die Sterbebegleitung irgendwo ab, sofern es keine Angehörigen gibt, die das übernehmen.
Das Schönste, was ein Mensch hinterlassen kann, ist ein Lächeln im Gesicht derjenigen, die an ihn denken.
************************************ Moderatorin in der Pandemie, der Politik und bei der Nachhaltigkeit, bei den Festen, im Persönlichkeits-, Erziehungs-, Baby-, Familien- und Trauerforum, im Glücklicher leben, bei den Angehörigen, in der allg. Gesundheit, der Kindergesundheit und bei den Krebserkrankungen, in den Krisenbeziehungen, bei den Hobbies, der Photographie und bei den besonderen Ernährungsformen.
Ich glaube, man kann das ganze Thema 'Compassionate Communities' mehr als organische Bewegung verstehen, denn als festen Dienst.
Diese Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, nicht-medizinische End of Life Care oder Begleitung wieder mehr in die Gesellschaft zu bringen, nicht nur, aber auch, um die sozialen und medizinischen Dienste zu entlasten. Und auch ein bisschen die Art und Weise wiederzubeleben, wie früher in Gemeinschaft mit Kranken, Sterbenden und Tod umgegangen wurde, viel selbstverständlicher, solidarischer und anpackend, als Gemeinschaft halt.
Compassionate Communities are communities in which everyday people play a stronger role in the care and support of people as they age and at the end of life. Compassionate Communities is a globally recognised approach to improving the end-of-life experience for people by mobilising local networks, groups and services to be more conscious, aware and equipped to offer support.
Es gibt - soweit ich das bislang mitbekommen habe - unterschiedlichste Herangehensweisen. Gemein sind Grundsätze und Rahmen, bzw Handlungslinien (ist das das richtige Wort?), aber es ist ganz individuell, wie und was die Gemeinden dann aufziehen. Mal sind es kirchliche, mal staatliche Institutionen, die den Anfang machen, oder auch einfach Privatpersonen, die ein Netzwerk zusammenstellen. Da wird dann zB interessierten Menschen alles Mögliche beigebracht, von End of Life Care bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit. Es werden auch gemeinschaftlich Konzepte entwickelt, zB ist hier ein Tag entstanden, der 'Dying To Know Day' heisst, der 8. August. An dem Tag laufen landesweit Veranstaltungen zum Thema Testament, Patientenverfügung, Vollmachten, Voluntary Assisted Dying, Bestattungsoptionen.
Der Kontakt käme dann wohl auf unterschiedlichste Art zustande, direkt, über Angehörige oder Nachbarn, Freunde, Ärzte, Pflegepersonal, könnte ich mir vorstellen.
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Ich 'wecke' diesen Strang mal wieder auf, weil ich gerade einen TV Bericht aus Frankreich gesehen habe, in dem es um ein gutes Beispiel für eine Aktion geht, die man unter 'Compassionate Communities' einsortieren könnte. In einem ganz normalen Wohnhaus mit mehreren Parteien gibt es eine Etage, auf der sowohl geboren als auch gestorben wird. Dahinter steckt eine Organisation, mit einem Angestellten, freiberuflichen Hebammen und Palliative Care-Pfleger und -Pflegerinnen und freiwilligen Helfern. Mit anpacken tun vor allem auch die anderen Hausbewohner.
Ich find das Konzept gut. In dem Beitrag sieht man, dass auch schon mal nicht alles nach Plan gehen kann (die werdende Mutter muss dann doch kurz in die Klinik wegen Steisslage), aber allgemein kommt das wohl sehr gut an. Mit ein Auslöser für die Idee waren die fehlenden Palliativbetten. Und nicht jeder kann ja zuhause palliativ gepflegt werden. Und die Gemeinschaft tut sicher gut. Das Konzept hat EU und regionales Funding bekommen)
(Beitrag auf französisch mit englischem Voice over und Untertiteln. Triggerwarnung - Voluntary Assisted Dying ist auch Thema)
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