Vielleicht kann ich Dir ein bisschen helfen. Meine Kinder sind beide betroffen.
Mein Sohn war 9 bei der Diagnose. Das waren ziemlich viele Konzentrations- und andere Tests, er wurde gründlich körperlich untersucht (Blutbild, EKG, EEG). Er bekam Therapie (Konzentrationsstrategien) und Medikinet. Da mein Sohn an sich ziemlich verantwortungsvoll und diszipliniert ist, habe ich ihm recht schnell die Einnahme selbst überlassen, da nur er merkt, was wann wie kickt.
Für jemanden ohne ADHS würde Ritalin / Medikinet quasi die Wirkung von 40 Espressi auf Ex haben, man ist glockenwach, fokussiert, hibbelig. Würde man einwerfen, wenn man droht einzuschlafen. Ich habe das tatsächlich mal mit 5mg getestet, richtig krass, würde ich nicht empfehlen, kein Wunder, dass das ein Dopingmittel ist.
Mein Sohn war anfangs auf 10mg und man hat NICHTS gemerkt, äußerlich. Er beschrieb aber schnell, dass er sich viel besser fokussieren kann, nicht mehr wegdämmert und träumt. Mittlerweile ist er beinahe 19 und hat in der gesamten weiteren Schulzeit Medikinet und als Erwachsener dann Elvanse genommen, zum Teil retardiert, zum Teil nicht, aber in Dosierungen, die mich vermutlich sofort zum Herzinfarkt geführt hätten.
Das ganze ist ein Serotonin oder Dopamin-Mangel. So wie man für andere Sachen Vitamine einnimmt, wäre es klasse, wenn man auch diese Hormone, die fehlen, einnehmen könnte. Geht aber nicht wegen Blut-Hirnschranke. Also wird der Abbau der Hormone gehemmt per Medikament. So lange das Medikament wirkt, wird der Hormonspiegel also höher gehalten als ohne. Das führt oft zu einem Rebound-Effekt, wenn das Medikament aufhört zu wirken. Da konntest Du bei meinem Sohn die Uhr nach stellen, gegen 17 Uhr war das "aus" und er fing an zu futtern wie ein Scheunendrescher (Medikinet hat als Nebenwirkung Appetitzügler) und wurde hibbelig. Er hat recht bald mit der Psychiaterin ausgeklügelt, wie er wann welches Medikament nimmt, um gut durch den Ganztag zu kommen und wann er Pausen einlegt (das ist vor allem bei Elvanse wichtig).
Ich würde das Ganze erst mal testen, ob Dein Sohn wirklich was "merkt" und ob es auch was bringt.
Das Zeug ist kein Wundermittel, im Gegenteil. Es ist wie eine Brille oder so, es hilft ggf. weiter, aber ggf. stimmen die Werte nicht oder es lag doch an was anderem. Und es macht ein Kind nicht per se ruhiger, bei meinem Sohn kann ich das ganz klar verneinen. Er war vorher eher verträumt, danach hatte er Power.
Mir hat auch geholfen, selbst auszuloten, wie ich damit umgehe. Mein Weg war wie gesagt, meinen Sohn in die Verantwortung zu nehmen, nach zehn Jahren kann ich sagen, das war für uns richtig so. Weil er sehr viel anfangs in der Grundschule nicht mitbekommen hatte, haben wir für drei Jahre auch einen LRS-Ausgleich bekommen nach Testung mit der Schulpsychologin, das war sehr gut für ihn, weil die Rechtschreibung so etwas weniger streng gewertet wurde. Derzeit macht er Abi, das hätte er wohl ohne diesen Weg nicht geschafft, aber vor allem, weil er sowieso ein Schlauer ist und das wegen der Unruhe nicht hinbekam. Das Zeug hat ihn sicher nicht durch die Schule geputscht.
Meine Tochter hat die Testung (bin geschieden, Vater war nicht einverstanden) erst als Erwachsene gemacht und ist auch betroffen. Bei ihr war es vorher nicht eindeutig (hatte sie mittesten lassen) und so konnte ich keinen Test durchsetzen, leider. Ihr hätte das sicher auch geholfen. In den Genuss von Ritalin kam sie nie, die Erwachsenenmedikamente sind nicht so perfekt dosierbar, leider.
Ach ja: es gibt die Möglichkeit direkt wirkende Medikamente zu nehmen oder retard, die wirken dann halt langsamer, dafür länger. Bei meinem Sohn war es so, dass er morgens ein bisschen "direkt" nahm und mehr als "retard", sodass er nicht erst ab der 3. Stunde was merkte. Seine Dosierung war und ist ziemlich hoch, aber es wurde, und das ist wichtig, engmaschig kontrolliert, Größe und Gewicht, EEG, EKG und Blut. Manche Kinder werden recht mager durch Ritalin und/oder haben Herzprobleme, das darf natürlich nicht passieren. Gerade wenn ein Kind noch sehr jung ist, muss man bezüglich Wachstum und Entwicklung gut draufschauen. Mein Sohn ist mittlerweile über 1,90m und hat immer viel Sport gemacht und sich auch ohne Hunger ernährt, wie gesagt, eigentlich ist er voll diszipliniert (könnte ich mir mal eine Scheibe von abschneiden). Aber bei einem Siebenjährigen muss man da unbedingt drauf achten.
Das mit der Brille trifft es gut. Unsere Älteste ist damals- sie ist aber schon über 30,bitte bedenken- getestet, das war so ein..."Kann man versuchen " Ergebnis. Einen wirklichen Effekt haben wir trotz aller Umdosierungen und Medikamentenwechsel nicht (dauerhaft) gemerkt. Allerdings: Als unsere Mittlere ins Kleinkindalter kam - sie ist 6 Jahre jünger- und sich deren Asperger Syndrom, das ist eine autistische Störung, immer mehr bemerkbar machte, wir deshalb unseren Tagesablauf so gleichmäßig und strukturiert wie möglich hielten ( sonst machte man teilweise einen Höllenritt mit. Schon der unverhoffte Besuch der Großmutter brachte die Mittlere völlig aus der Fassung), tat das auch der Grossen gut. Sie hat dann schnell selbst gemerkt, dass es mit einem "Korsett", dh - fester Tagesrythmus, bestimmte Dinge immer zu einer bestimmten Zeit erledigen, nichts verschieben, weil "flexibel" - für sie einfacher ist und schaffte es mit zunehmenden Alter stetig besser, sich diese Selbstdisziplin auch selbst zu verordnen. Ob es damals wirklich AD/ADHS war, keine Ahnung. Man kann es halt nicht so einwandfrei darstellen wie eine Erkrankung, die über bildgebende Verfahren erkennbar ist.
(Sohn hat (te damals) ne Entwicklungsverzögerung in Selbstorganisation und Konzentration, kriegt man als Diagnose, wenn ADHS nicht gesichert ist. Ich bin eigentlich nur hin, um meine Ruhe vor dem Kindergarten zu haben)
Mit der kleinen bin ich da hingegangen, weil ich den Verdacht auf eine LRS hatte (ja, in der 1. Klasse) Über die ADS war ich ja eher überrascht.
Sie hat jetzt ADS und LRS (letzteres war vorher ein Verdacht, da die Diagnose in der 1. Klasse gestellt wurde)
Sie hatte Nachhilfe und Ergotherapie (erst Einzel, jetzt Gruppe) Ergo wird sie weiterführen, nach Gruppe wieder Einzel. Statt Nachhilfe kommt jetzt Lerntherapie (muss erst alles beantragt werden). Termin mit der Lehrerin habe ich nächste Woche Freitag, da werde ich auch noch mal den Nachteilsausgleich zur Sprache bringen. Und statt hoffen es wird, der Versuch mit Medikamenten. Der oben genannte Wirkstoff, weil er gleich wirkt und zur Not auch gleich abgesetzt werden könnte.
EKG würde gestern gemacht. Blutabnahme und körperliche Untersuchung kommt in den nächsten Tagen.
(@ja-aber: alle Kinder haben den gleichen Vater, aber bei ihr habe ich alleiniges Sorgerecht)
Sie ist wie eine kleine zerstreute Professorin, mit LRS Problematik. IQ normal. Manchmal denkt bzw merkt sie sich Sachen, das ist echt irre. Und vieles vergisst sie halt wieder.
Sie würde wahrscheinlich aus dem Flugzeug ohne Fallschirm springen, weil sie sich der Gefahr einfach nicht bewusst ist (und sie trotzdem weiß, dass man sterben kann), aber Spritzen mag sie nicht, weil die wehtun (das wird noch ein Spaß mit der Blutabnahme).
Und ja, ich weiß sie ist noch klein. Es ist schwierig, das hier so rüber zu bringen, wenn man sie nicht kennt.
Hier ein Kind mit massiver LRS, bei dem dann aber so mit 12-13 dann doch mal angesprochen wurde, dass er zwar kein diagnostiziertes ADS hat, aber relativ nah an der Grenze ist mit seinen Aufmerksamkeitswerten.
Mit 14 waren wir und er dann so weit, es doch mal mit Methylphenidat zu probieren. Das hatte den Vorteil, dass wir bei der Dosierung halt auch auf seine Rückmeldung bauen konnten. Bei uns gab es gleich ein Retardmittel, so dass er nur morgens eine Tablette nahm, die so ca. 8 h wirkte. Es wurde langsam hochgefahren, der Plan war erst 10, dann 20, dann 30 mg (Zitat: "Also bis 20 merkst Du wahrscheinlich gar nichts.") Er merkte schon die 10 (positiv), 20 war auch gut, mit 30 wurde er hibbelig und sagte, das ist zu viel.
Nun nimmt er seit ca. 3 Jahren diese 20 mg, in den Ferien nichts, und er sagt, es hilft ihm wirklich, sich in der Schule besser zu konzentrieren. Im Alltagsleben war er ohnehin nicht "verpeilt" oder so, und konnte sich auf Dinge, die ihn interessieren, auch immer gut konzentrieren.
Er kann halt jetzt auf eine Arbeit in einem Fach, das ihn nicht interessiert, lernen und sich das merken, das ging vorher nicht. Er sagt auch, er muss nachmittags weniger für die Schule machen, weil er im Unterricht halt alles mitbekommt jetzt.
Also bei uns eine sehr positive Erfahrung - wir hatten wirklich große Vorbehalte.
Sandsturm, da Dein Kind noch sehr jung ist, würde ich mich da auch auf den Arzt und Deine eigenen Beobachtungen verlassen. Und in dem Alter sollten 8 h Wirkdauer für Schultag und Hausaufgaben reichen.
Massive LRS bedeutet, dass er nach dem ersten Schuljahr fast nicht lesen konnte, nach dem zweiten eigentlich noch nicht wirklich Sätze schreiben.
Textaufgaben in Mathe in Klasse 3 noch völlige Fehlanzeige.
Ich habe in der 7. und 8. Klasse noch sämtliche Schullektüren vorgelesen.
Zitat Kinder- und Jugendpsychiater damals nach der Testung: 2-4% aller Kinder haben LRS. Nur bei 1% aller Kinder ist es so schlimm wie bei Ihrem Sohn.
Ein Teil war aber auch der grottenschlechten Grundschule geschuldet.
Entgegen aller Prognosen ist er jetzt in der 11. Klasse eines eher anspruchsvollen Gymnasiums und aktuell zweifelt keiner mehr daran, dass er sein Abi machen wird. Und das alles ohne Klassenwiederholung, die uns schon in der Grundschule mehrfach empfohlen wurde.
Zitat von Sandsturm2 im Beitrag #30 Und ja, ich weiß sie ist noch klein. Es ist schwierig, das hier so rüber zu bringen, wenn man sie nicht kennt.
Verstehe ich.
So eine Diagnose - ADS eben - steckt man ja auch nicht so einfach weg wie *Erkältung*.
Das Leben mit einem AD(H)S-Kind hat auch Auswirkungen auf die anderen Familienmitglieder.
Ich glaube, an Deiner Stelle würde ich wohl ein, zwei gute Sachbücher lesen, um überhaupt mit der Thematik erstmal ein wenig vertraut zu werden. Es erfordert nämlich schon einiges an Umdenken, wenn dieses Störungsbild in die Familie integriert werden soll.
Zitat von Tigerente im Beitrag #33Massive LRS bedeutet, dass er nach dem ersten Schuljahr fast nicht lesen konnte, nach dem zweiten eigentlich noch nicht wirklich Sätze schreiben.
Hier genau das gleiche.
Zitat von Tigerente im Beitrag #33 Ich habe in der 7. und 8. Klasse noch sämtliche Schullektüren vorgelesen.
Zitat von Tigerente im Beitrag #33 Nur bei 1% aller Kinder ist es so schlimm wie bei Ihrem Sohn.
Ja Hier wohl auch 😢
Zitat von Tigerente im Beitrag #33 Entgegen aller Prognosen ist er jetzt in der 11. Klasse eines eher anspruchsvollen Gymnasiums und aktuell zweifelt keiner mehr daran, dass er sein Abi machen wird.
Zitat von schafwolle im Beitrag #34 Ich glaube, an Deiner Stelle würde ich wohl ein, zwei gute Sachbücher lesen, um überhaupt mit der Thematik erstmal ein wenig vertraut zu werden. Es erfordert nämlich schon einiges an Umdenken, wenn dieses Störungsbild in die Familie integriert werden soll.
Die Thematik ist nicht mein Problem. Sie hat die Diagnose ADS ja nicht erst seit gestern. Die Elternberatung ist ganz okay. Und mein Sohn hatte bzw hat ja eine ähnliche Problematik, nur nicht mit der Diagnose. Und eben anders. Aber manchmal ähnlich.
Ich wollte nur Erfahrungen wegen der Medikamente. Denn darüber, über das einehmen überhaupt, hatte ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht.
Ich schließe mich der Frage an, wo der Strang gerade hochpoppt.
Von uns kann ich berichten, dass das besagte "Kind" gerade Abi gemacht hat, gegen Ende fast gar keine Medikamente mehr genommen hat und jetzt, wo er ein Studium begonnen hat, das ihn interessiert, auch keine mehr zu brauchen scheint. Er war aber, wie oben beschrieben, immer auf einer sehr niedrigen Dosis, von der es hieß "merkst Du gar nicht".
Als es mit dem speziellen Medikament mal längere Zeit Lieferschwierigkeiten gab, bekam er ein anderes verschrieben, das "viel schneller reinkickt", damit kam er gar nicht klar, hatte Herzrasen und so.
Kind ist jetzt mittlerweile in der 5. Klasse. Gefällt ihr gut.
Sie nimmt keine Medikamente. Hat es ein paar Wochen getan und danach nicht mehr. Ich denke, es würde ihr helfen. Weniger stark in der Dosierung. Sie möchte aber nicht, kann aber auch nicht genau benennen, warum. Ich denke, dass die Dosierung am Schluss wahrscheinlich zu hoch war und es ihr nicht so gut bekommen ist. Vielleicht versucht sie es noch mal in höherer Klasse, wenn sie merken sollte, dass es immer schwieriger wird sich zu konzentrieren.
Sie hatte nach der Einzel- Ergotherapie auch Gruppentherapie, was ich persönlich finde nicht so viel gebracht hat. Sie hatte bis vor ein paar Wochen in der Ergotherapie noch Neurofeedback.
Außerdem hatte sie über zwei Jahre Lerntherapie für die LRS. Das hat zumindest so gut geholfen, dass sie auf dem unteren Level des Durchschnitts im lesen ist. Was für ihre Verhältnisse total super ist. Das Schreiben ist für ihre Verhältnisse auch besser geworden, auch wenn sie da immer noch drunter liegt.
In der weiterführenden Schule habe ich auch eine Nachteilsausgleich beantragt. In Deutsch und in Mathe. Da sie auch einen Verdacht auf Rechenstörung hat (interessanterweise kann sie sich Daten gut merken)
Wir waren im SPZ zur nochmaligen Testung. Mit dem Ergebnis, hat. Das es jetzt wahrscheinlich kein ADS mehr ist, sondern ein ADHS. Bei ihr ist es aber keine Hyperaktivität, sondern Impulsivität. Dieses Kind kann Lügen ohne rot zu werden. Nimmt sich einfach Sachen anderer. Dabei ist es völlig egal, das andere wissen, dass sie es war. Kennt keine Gefahr. Zum Glück scheint sich das nur auf hier zu Hause zu beschränken, bis teilweise die Gefahr.
Nachteil ist, ich kann sie hier zu Hause so gut wie nie alleine lassen. Die panscht sich Sachen zusammen, ein verrückter Professor ist nichts gegen sie. Zum Ausgleich hat sie eine Staffelei zu Hause. Da kann sie auch Farben mischen und kriegt manchmal echt, für mich, beeindruckende Bilder hin.