ich hatte es in meinem Vorstellungs-Thread ja schon kurz erwähnt: Letztes Jahr im Juli habe ich einen für mich schweren Verlust erlitten. Mein Freund, mit dem ich zu der Zeit offiziell keine Beziehung mehr hatte, mit dem ich aber immer noch sehr verbunden und in regelmäßigem Kontakt war, wurde tot in seiner Wohnung aufgefunden (vermutlich Herzstillstand, er sah aus, als würde er schlafen, sagte mir der Polizeibeamte, der ihn gefunden hat). Die Angehörigen und ich erfuhren das erst eine Woche später dank diverser Zufälle (wir lebten nicht mehr in der selben Stadt). Daher war auch keine Verabschiedung mehr möglich und sein Tod für uns um so schwerer fassbar. Ich war mit dem Mann 10 Jahre lang ein Paar, und dann immer noch 2 Jahre bis zu seinem Tod verbunden. Das mit der Beziehung wurde leider zu schwer, da er eine depressive Erkrankung hatte. Das nur ganz kurz zum Hintergrund.
Im ersten Jahr machte ich die Erfahrung, die vermutlich viele Trauernde machen: es ist richtig viel Arbeit das eigene Leben fortzusetzen. Bei mir kam noch hinzu, dass ich von seinem Tod erfuhr, als ich gerade die eher harmlosen Nebenwirkungen einer Impfung hatte, die sich dann durch den Schock massiv auswirkten, bzw. der Schock als solches. Ich konnte also auch nicht einfach ein Ventil wie Sport nutzen und war monatelang noch damit beschäftigt, mich gesundheitlich wieder zu regenerieren. Die ersten Monate waren wie ein nicht endender Albtraum. Wie viele andere vermutlich auch machte ich in der Zeit die Erfahrung, dass Leute für mich da waren, von denen ich das nie erwartet hätte (vor allem meine Kolleginnen gaben mir unglaublich viel Rückhalt), und andere waren mehr oder weniger weg oder hatten kein Verständnis. Schließlich war ich offiziell mit ihm nicht mehr zusammen.
So änderte sich in meinem Sozialleben im ersten Jahr schon einiges.
Die Zeit von seinem vermutlichen 1. Todestag bis zum Jahrestag der Beerdigung (dazwischen lagen 6 Wochen, was viel an der Schlamperei der Behörden und an der Überführung in ein anderes Bundeland lag) verbrachte ich in Portugal. Mir war ziemlich bald klar, dass ich das nicht daheim erleben will. Zum Glück konnte ich in der Zeit eine Auszeit vom Job nehmen. Ich hatte in Portugal viele Durchläufe (dass die kommen, darüber hatte ich mir auch keine Illusionen gemacht), aber die Natur half mir, die Anstrengung (ich bin viel gewandert), und meine beiden engsten Freundinnen tauschten sich täglich mit mir aus.
Als ich zurück kam, war ich wesentlich aufgeräumter und klarer. Ich kann seitdem ohne Heulanfälle über das Geschehene reden, und ich hatte einige Inspirationen, wie ich meine Wohnung verändern kann, was ich dann als erstes auch machte.
Dann zerbrach die schon erwähnte Freundschaft, die einzige, die ich im Ort hier hatte. Und daraus folgte bei mir die Erkenntnis, dass ich hier in diesem Ort nicht mehr bleiben will. Ich hatte gehofft, dass mein Freund irgendwann mal nachkommt, aber das hat er schon aufgrund seiner Erkrankung nicht geschafft. Vermutlich wollte er es auch nicht. Aber ich will hier gar nicht so viel über ihn schreiben.
Ihr seht vermutlich schon, wo es bei mir immer noch hakt. Es gibt nicht nur die eine Trauer, dass er weg ist und dass er mir fehlt. Es gibt so viele verschiedene Arten von Trauern, die da ständig im Wechsel in mir herumwabern. Ich weiß nicht, ob das auch Menschen haben, die bis zum Schluss gut mit ihrem Partner zusammen sein konnten. Ich konnte das nicht. Ich habe schon vorher getrauert über die Liebe, die nicht gelebt werden kann. Diese Trauer hatte sich noch hinter Wut und Verzweiflung versteckt. Hatte ich, als ich die Todesnachricht bekam, noch kurz die Hoffnung, dass es mir vielleicht hilft, dass ich schon vorher so viel um diese nicht lebbare Liebe getrauert hatte, so musste ich feststellen, dass es keine Trauer vorab gibt. Im Gegenteil. Ich glaube, wenn man bis zum Schluss gut in Verbindung sein konnte, dass dann zwar vielleicht der Schock größer ist, aber man hat dann vielleicht auch eher einen Trost. Den habe ich nicht. Ich habe das Gefühl, "alles" falsch gemacht zu haben, auch wenn ich weiß, dass es rational gesehen dafür keine Grundlage dafür gibt.
Es gibt die Trauer über das, was er nicht mehr leben konnte. Er wurde keine 60, zu früh. Es gab so viel unversöhnliches in seinem Leben, das er nicht mehr versöhnen konnte. Ich habe das erst bei seiner Beerdigung wirklich begriffen, als ich Menschen aus dem Teil seines Lebens traf, den ich nicht kannte, und sie fanden in mir eine Zeugin seiner Lebenshälfte, die sie nicht mehr mitbekamen, weil sie nicht wussten, wo er ist (ein Burnout markiert diesen Riß). Es fühlte sich an, als käme bei seiner Beerdigung etwas zusammen, das Versöhnung schaffte. Ich habe eine Trauer darüber, dass das nicht zu seiner Lebzeit möglich war.
Es gibt Schuldgefühle, obwohl ich keine Schuld habe. Ich konnte nichts für ihn tun, ich habe immer wieder das Gefühl, dass ich mehr hätte intervenieren müssen. Meine Trauerbegleiterin sagte aber, dass er selbst die Verantwortung gehabt hat, sich Hilfe zu besorgen. Er hat das immer wieder versucht, er hatte auch Hilfe, aber keine therapeutische, weil das einfach sehr schwierig ist, diese zu bekommen.
Und dann gibt es die Trauer über mein eigenes nicht gelebtes Leben. Erst vor ein paar Tagen hatte ich da wieder einen Anfall. Das Leben wie es hätte sein können. Mit ihm. Wenn die Krankheit nicht so stark gewesen wäre. Und weil ich generell schon einige Lieben aufgeben musste. Aber bei ihm hätte es sonst gut gepasst. Wenn nicht... Ach es bringt nichts. Es ist auch nicht so, dass ich ihn nun verklären würde. Ich habe sehr gut auch noch die letzten 2 Jahre in Erinnerung, als er in der Pandemie seine ADs stillschweigend absetzte und ich das nur bemerkte, weil er aggressiver wurde, und gleichzeitig auch die Aufschieberittis und innere Lähmung wieder stärker wurde. Dann kommt da wieder die Verzweiflung und Hilflosigkeit, die ich deshalb immer wieder in unserer Beziehung empfunden habe. Und die Schuldgefühle, weil ich am Ende nur noch wütend und ablehnend darauf reagiert habe.
Diese Dinge hat er nicht mit ins Grab genommen, damit muss ich mich weiter auseinander setzen. Würde er plötzlich wieder vor mir stehen, wüsste ich immer noch nicht, wie ich es besser machen könnte. Es würde vermutlich gerade so weitergehen. Ich finde keine Antworten und er kann mir keine mehr geben. Das konnte er schon zu Lebzeiten nicht. Er war ja selbst gefangen in dem Drama. Und das Wort End-Gültigkeit entfaltet seitdem seine ganze Grausamkeit.
Ich gehe wegen diesen vielen verschiedenen Trauern zur professionellen Trauerberatung in ein Hospiz. Ich bin zutiefst dankbar für dieses Angebot und kann das nur jede/m Trauernden empfehlen, die Hilfe möchten.
Geholfen hat mir in dem Jahr auch, dass ich Oma wurde. Der Zwerg ist die Gegenwart, das, was neu begonnen hat. Und seit ich von Portugal zurück bin, bin ich in einem neuen Projekt bei der Arbeit, wieder mit tollen Kolleginnen, die von meinem Verlust wissen und warum ich mich da auch nicht verstellen muss (durch den offenen Umgang kam ich bei der Arbeit aber auch durchwegs gut klar, einfach weil der Druck dadurch genommen wurde, unbedingt funktionieren zu müssen).
Und nun also der Entschluss, dass ich umziehen will. Denn als die einzige Freundschaft hier wegbrach, merkte ich auch, dass mit dem Ort hier für eine ganze Ära steht, die mit seinem Tod ein Ende genommen hat. Und der Ort hier, obwohl er hier nicht gelebt hat, ist damit untrennbar verbunden. Ich will mir nun eine Wohnung in dem Ort suchen, wo meine Tochter mit ihrer Familie wohnt, das ist nur 20 km entfernt, aber nicht so weit draußen, städtischer. Vor ein paar Monaten konnte ich das noch nicht, da dachte ich mir noch, ich nehme diesen ganzen Trauerrucksack mit. Ja, die Trauer nehme ich natürlich mit, aber im Herzen und nicht als schweren Rucksack. Besser kann ich es gerade nicht erklären.
Das mit dem Umziehen kann noch dauern, es ist ja gerade nicht einfach eine bezahlbare Wohnung zu finden. Aber selbst wenn ich hier noch ein paar Jahre sitzen würde, es tut gut "innerlich gekündigt" zu haben. Ich stecke in den Ort hier keine Energie mehr rein, und mache nur noch Dinge mit Menschen, die mir wirklich gut tun. Witzigerweise passieren seitdem auch wieder ein paar Sachen bzw. es melden sich Menschen, mit denen ich nicht gerechnet habe.
Tja und nun bin ich also im zweiten Jahr. Teilweise bestätigt sich meine Angst, die ich letztes Jahr schon hatte: dass mich im zweiten Jahr die Erinnerung an das erste Jahr belastet. Das können relativ banale Dinge sein. z.B. war ich heute auf einem Flohmarkt, auf den ich mich letztes Jahr gequält habe, um das Erlebnis Flohmarkt wieder neutral zu kriegen. Flohmärkte waren nämlich unser beider Leidenschaft, wir hatten in unseren guten Zeiten viel Spaß dabei. Ich wollte deshalb erst gar nicht da hin, weil mir die Qual vom letzten Jahr in Erinnerung war. Das mit dem Neutralisieren hat mit so einem Besuch nämlich nicht geklappt. Ich fühlte mich nur verloren und traurig.
Aber dann ging ich heute doch mit einem klaren Ziel hin, nämlich um den Grundstein für eine Oma-Spielekiste für meinen Enkel zu legen. Und da fand ich Duplosteine und einen tollen Holzbagger. Natürlich ist er für all das noch zu klein, aber das Zeug wird ja nicht schlecht und es half mir wieder meine alte Leidenschaft für Flohmärkte zu finden. Ich denke, mein Freund würde sich nun erleichtert den Schweiß von der Stirn wischen, wenn er eine hätte, da wo er jetzt ist.
Überhaupt habe ich immer wieder so Momente, wo ich es sehr klar vor Augen bzw. in den Ohren habe, was er jetzt wohl zu mir sagen würde, wie er das finden würde usw. Ich weiß nicht, ob die Seelen wirklich um uns herum sind, oder ob das Bewusstsein generell außerhalb von uns ist, oder ob das nur meine Psyche macht, damit ich besser mit dem Verlust klar komme. Ich werds wohl auch nie erfahren. Aber es ist eine Möglichkeit, mit ihm "in Kontakt" zu sein, mit der es mir gut geht.
So, nun wurde der Text doch recht lang. Manches ist vielleicht etwas wirr, weil ich Hintergründe weggelassen habe, da es sonst noch länger geworden wäre.
Mir gehts auch vor allem darum mich mit euch auszutauschen, wie ihr das erlebt habt in der Trauer, mit den verschiedenen Arten vorn Trauern/Traurigkeiten, die ersten Schritte, die nächsten Schritte ein Jahr später usw. Und was euch sonst noch alles dazu einfällt. So genau konnte und wollte ich den Thread gar nicht definieren, weil es mir v.a. um Austausch geht.
Danke fürs lesen
Leise weht ein Blatt vom Baum und Nichts ist mehr so wie es einmal war
mit zweien Deiner Sätze sprichst Du mir aus dem Herzen- darin kann ich mich ganz und gar wiederfinden:
Zitat von Amelie im Beitrag #1 Es gibt so viele verschiedene Arten von Trauern, die da ständig im Wechsel in mir herumwabern.
.......
Und dann gibt es die Trauer über mein eigenes nicht gelebtes Leben.
schreiben kann ich dazu nichts, wer weiß, ob ich jemals so weit kommen werde, Worte zu formulieren.....
und das freut mich sehr für DIch:
Zitat von Amelie im Beitrag #1 Geholfen hat mir in dem Jahr auch, dass ich Oma wurde. Der Zwerg ist die Gegenwart, das, was neu begonnen hat. ............................
Und nun also der Entschluss, dass ich umziehen will. .......................... Ich will mir nun eine Wohnung in dem Ort suchen, wo meine Tochter mit ihrer Familie wohnt, das ist nur 20 km entfernt, aber nicht so weit draußen, städtischer. Vor ein paar Monaten konnte ich das noch nicht, da dachte ich mir noch, ich nehme diesen ganzen Trauerrucksack mit. Ja, die Trauer nehme ich natürlich mit, aber im Herzen und nicht als schweren Rucksack. Besser kann ich es gerade nicht erklären.
Das mit dem Umziehen kann noch dauern, es ist ja gerade nicht einfach eine bezahlbare Wohnung zu finden. .....................
Aber dann ging ich heute doch mit einem klaren Ziel hin, nämlich um den Grundstein für eine Oma-Spielekiste für meinen Enkel zu legen. Und da fand ich Duplosteine und einen tollen Holzbagger. Natürlich ist er für all das noch zu klein, aber das Zeug wird ja nicht schlecht und es half mir wieder meine alte Leidenschaft für Flohmärkte zu finden.
mit zweien Deiner Sätze sprichst Du mir aus dem Herzen- darin kann ich mich ganz und gar wiederfinden:
Zitat von Amelie im Beitrag #1 Es gibt so viele verschiedene Arten von Trauern, die da ständig im Wechsel in mir herumwabern.
.......
Und dann gibt es die Trauer über mein eigenes nicht gelebtes Leben.
Danke dir, liebe 1a2b, du glaubst gar nicht, wie tröstend das für mich ist, dass du dich in der Beschreibung wieder findest, denn genau in dieser Trauer über die verpassten/verpatzten Möglichkeiten im eigenen Leben fühle ich mich oft nicht verstanden bzw. die erwähne ich meist gar nicht.
Diese Trauer schmeckt bitter, aber im Gegensatz zu den anderen Trauern beinhaltet sie noch nicht das Wort End-Gültigkeit. Außer in dem gemeinsamen Leben mit ihm und das ist und bleibt einfach schlimm. Ich weiß, dass nicht alles mein persönliches "Versagen" ist, manches läuft einfach schlecht. Und doch fühlt es sich durch den Tod meines Freundes so an - als hätte ich versagt. Vielleicht gehört das dazu zu meiner Trauer, ich weiß es nicht. Es wird sicher beim nächsten Trauergespräch ein Thema.
Ich hatte die Tage mir selbst auch mal die Frage gestellt, ob ich mir überhaupt erlaube, glücklich zu sein. Darauf musste ich weinen. Auch eine Antwort. Hilft erstmal nicht weiter. Doch ich denke, alles, was hochploppt, hilft weiter, auch wenn es erstmal keine Antwort und keine Lösung gibt.
Ich halte es da mit Rielke:
Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.
(Über die Geduld von Rainer Maria Rilke)
Abgesehen davon, dass "Ungeduld" mein zweiter Vorname ist, fehlt mir jetzt auch die Unbedarftheit, mit der ich in jungen Jahren durchs Leben gegangen bin. Gut, das ist teilweise dem Älter werden geschuldet, aber der Tod meines Freundes erinnert mich täglich daran, wie brüchig das Leben ist. Trotzdem ist dieser Gedichtsauszug für mich schon viele Jahre ein tröstlicher Begleiter, weil ich schon immer mehr Fragen als Gewissheiten hatte.
Leise weht ein Blatt vom Baum und Nichts ist mehr so wie es einmal war
Zitat von Amelie im Beitrag #3 Doch ich denke, alles, was hochploppt, hilft weiter, auch wenn es erstmal keine Antwort und keine Lösung gibt.
......
(Über die Geduld von Rainer Maria Rilke)
........Trotzdem ist dieser Gedichtsauszug für mich schon viele Jahre ein tröstlicher Begleiter, weil ich schon immer mehr Fragen als Gewissheiten hatte.
danke! Ja, das sehe ich auch so......und dieses Rilke-Gedicht mag ich auch sehr....
"Gewissheiten"? Ich bin dabei zu begreifen, dass es "Gewissheiten" wohl gar nicht gibt....und wohl auch kaum Antworten auf meine Fragen....
weil sich alles ständig verändert........auch meine Sichtweise zu den vergangenen Situationen....
insofern versuche ich, mir zu sagen: "so ist es jetzt" .......seufz.......
Danke dir, liebe 1a2b, du glaubst gar nicht, wie tröstend das für mich ist, dass du dich in der Beschreibung wieder findest, denn genau in dieser Trauer über die verpassten/verpatzten Möglichkeiten im eigenen Leben fühle ich mich oft nicht verstanden bzw. die erwähne ich meist gar nicht.
Diese Trauer schmeckt bitter, .............
dazu gehört auch Mut, sich dem zu stellen und sich aktiv damit auseinander zu setzen.....es geht um Dein/mein Leben.....wie sollten die anderen das "verstehen" können? Ist nicht ihre Welt.....
Liebe Amelie, mein aufrichtiges Mitgefühl. Dieser Verlust wirft dich sehr aus der Bahn. Ich verstehe das gut. Zur Traurigkeit über verpasste Gelegenheiten kann ich nur sagen: Blick bitte nach vorne und nicht nach hinten richten. Rückwärts zu schauen ist in diesem Fall unnütz. Es zeigt deine depressive Seite. Versuche, das zu unterlassen, schicke die Gedanken weiter. Ggfs. auch mit Hilfestellung durch einen Therapeuten. Man muss das trainieren.
Nach meiner Erfahrung ist es mit der Trauer wie mit vielem im Leben: Sie verläuft spiralförmig, wobei es mal auf und mal ab geht. Nichts ist statisch. Also: Gestern dachtest du vielleicht "So, jetzt geht´s etwas besser!". Dann hat eventuell morgen wieder das Gefühl "Das ist doch alles nicht zu schaffen!" überhand. (Dies nur als Beispiel!)
Natürlich bist du traurig, weil dieser von dir so geschätzte/geliebte Mensch nicht mehr da ist. Und da ist EIN Jahr wirklich nicht viel Zeit. Gib dir Zeit. Und hak es ab, dass andere dich verstehen sollten/müssten/werden. Jeder trauert anders, und die meisten Leute haben mit ihrem eigenen Leben genug am Hacken und gar keinen Nerv für anderer Leute Probleme.
Es gibt auch Verluste für mich, über die ich nur oberflächlich "hinwegkomme". Man lernt, damit zu leben. Mehr nicht. Immer wieder mal das heulende Elend. Tja.
Kürzlich verstarb ein früherer sehr guter Bekannter, wir kannten uns 50 Jahre. Komischer weise hatte ich ein paar Monate zuvor noch den Impuls, ihn mal anzurufen. Ungewöhnlich, sonst sah man sich "unterwegs, draußen". Es ging ihm schlecht. Jetzt, nach seinem Tod, teilte mir jemand völlig unvermittelt mit: "Der´Obelix´, der hat sich ja erschossen". Gott im Himmel. DAS hat mich vielleicht umgehauen. Ich bin stante pede in Tränen ausgebrochen. Seit Wochen treibt mich das jetzt um. Ich bete für ihn. Ja, ich trauere. Und das wird lange anhalten. Weil ich auch Schuld fühle: Hätte ich mehr für ihn tun können/sollen?
Wie oberflächlich müsste man sein, wenn nach kurzer Zeit wieder "alles gut!" wäre. Das geht doch gar nicht. Und gerade bei einem früheren Partner, da hat man viel nachzudenken und zu erinnern.
Vielen Trauernden hilft der Besuch einer "Trauergruppe" beim Akzeptieren der Situation und auch beim Loslassen. Mich hat es damals überfordert, weil "Loslassen" für mich noch vollkommen undenkbar war.
Soweit meine ersten Gedanken dazu. Du kannst mich gerne auch anschreiben.
Sei herzlich sanft umarmt! Klara
_____________________________________ Ich bin Karla48 aus dem alten Brigitte-Forum.
Zitat von Amelie im Beitrag #1es ist richtig viel Arbeit das eigene Leben fortzusetzen.
ich kann das bestätigen: trauern ist unglaublich anstrengend und kraftzehrend. liebe grüße, pinao
habe versucht, geduldiger zu werden, hab aber damit aufgehört. ging mir einfach nicht schnell genug.
you get older and you learn there is one sentence, just four words long, and if you can say it to yourself it offers more comfort than almost any other. It goes like this: At least I tried. -Ann Brashares -
ihr lLieben, vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ich habe mich jetzt lange nicht mehr gemeldet, weil sich bei mir die Ereignisse überschlugen. Ich bin umgezogen, in den Ort, wo meine Tochter mit ihrer Familie wohnt. Es ist nicht einfach dort eine bezahlbare Wohnung zu finden, ich habe sofort eine gefunden, die so ist, wie ich mir es erhofft habe, mit Balkon und Grün davor. War wohl Schicksal.
Meine alte Wohnung war größer, aber seit dem Tod meines Freundes fühlte ich mich dort zunehmend verloren. Und in dem Ort gab es nichts mehr, was mich hielt. Es fühlt sich absolut stimmig an. Natürlich ist meine Trauer mit umgezogen, aber ich habe viel Schweres zurück gelassen. Hoffnungen und Träume von einem gemeinsamen Leben.
Es fühlt sich absolut stimmig an
Klara, die Frage "hätte ich mehr für ihn tun können" treibt mich auch immer wieder um. Nicht mehr so sehr wie im vergangenen Jahr. Ich kann es nun besser akzeptieren, dass ich auch nur ein (fehlerhafter) Mensch bin, genauso wie er es auch war. Und ja, ich sehe es auch so wie du: wie oberflächlich wäre ich, wenn ich mir diese Fragen nicht stellen würde, wenn ich einfach nur weiter gemacht hätte. Bei dir ist es letztlich doch auch so. Ich finde es generell schwierig zu akzeptieren, dass ein Mensch, von dem ich glaube, ihn zu kennen, manches nicht so wollte, wie es schien, bzw. seine Entscheidungen getroffen hat, ohne sich Hilfe zu holen, oder einfach einen anderen Weg hatte (ob wir es grundsätzlich in der Hand haben oder nicht, diesen zu bestimmen, ist wohl Glaubenssache)
Es stimmt, nach vorn zu gucken ist wichtig. Aber es ist zumindest für mich schon auch wichtig, die vielen Fragen zuzulassen, die Zweifel, die Verzweiflung, die meist hinter meiner Wut stand, die ich auf ihn hatte. Mir hat viel die professionelle Trauerberatung im Hospiz geholfen. Ich habe allerdings Einzelgespräche gebraucht, für Gruppen war ich nicht offen, ich war in meinem Schmerz und in meiner Verzweiflung viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt.
Ich denke auch, dass es immer wieder Trauertage oder Trauerstunden brauchen wird, wie in einer Spirale. Und es ist auch immer noch die Fassungslosigkeit da, dass es diesen Menschen einfach so aus dem Leben gerissen hat. Aber der Schock ist vorbei und die Verzweiflung habe ich in diesem Jahr weitgehend abarbeiten können. Deshalb kann ich nun viel besser nach vorn schauen. Die neue Wohnung und die Nähe zu meiner Familie haben etwas Wegweisendes. Und es sind im Zusammenhang mit der Wohnung und dem Umzug so viele Dinge passiert, dass ich immer wieder das Gefühl hatte, das soll so sein, da rollt gerade mächtig einer die Steine aus dem Weg...
Piano auch dir danke für die Bestätigung. Ich wünsche uns allen, die durch diese anstrengende und kraftzehrende Zeit gehen müssen, hilfreiche WegbegleiterInnen und ein Grundvertrauen ins Leben. Immerhin das habe ich in diesem Prozess wieder gefunden.
Leise weht ein Blatt vom Baum und Nichts ist mehr so wie es einmal war
Zitat von Amelie im Beitrag #7ihr lLieben, vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ich habe mich jetzt lange nicht mehr gemeldet, weil sich bei mir die Ereignisse überschlugen. Ich bin umgezogen, in den Ort, wo meine Tochter mit ihrer Familie wohnt. Es ist nicht einfach dort eine bezahlbare Wohnung zu finden, ich habe sofort eine gefunden, die so ist, wie ich mir es erhofft habe, mit Balkon und Grün davor. War wohl Schicksal.
wie schön, dass Du tatsächlich sofort eine bezahlbare Wohnung gefunden hast! ich freu mich mit Dir!
Zitat von Amelie im Beitrag #7Es fühlt sich absolut stimmig an. Natürlich ist meine Trauer mit umgezogen, aber ich habe viel Schweres zurück gelassen. Hoffnungen und Träume von einem gemeinsamen Leben.
Es fühlt sich absolut stimmig an
Das kilngt gut!
Zitat von Amelie im Beitrag #7Klara, die Frage "hätte ich mehr für ihn tun können" treibt mich auch immer wieder um. Nicht mehr so sehr wie im vergangenen Jahr. Ich kann es nun besser akzeptieren, dass ich auch nur ein (fehlerhafter) Mensch bin, genauso wie er es auch war.
ich bin absolut üverzeugt davon, dass es normal ist, sich diese Frage zu stellen- und dass die Antwort darauf lautet:
wenn ich "mehr hätte tun können", dann hätte ich Mehr getan. Dass ich es nicht konnte, war so, weil es eben nicht ging..... Mir helfen diese Gedanken....
Zitat von Amelie im Beitrag #7Es stimmt, nach vorn zu gucken ist wichtig. Aber es ist zumindest für mich schon auch wichtig, die vielen Fragen zuzulassen, die Zweifel, die Verzweiflung, die meist hinter meiner Wut stand, die ich auf ihn hatte. Mir hat viel die professionelle Trauerberatung im Hospiz geholfen. Ich habe allerdings Einzelgespräche gebraucht, für Gruppen war ich nicht offen, ich war in meinem Schmerz und in meiner Verzweiflung viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt.
wie gut, dass Du das schaffst, die vielen Fragen zuzulassen, die Zweifel und Verzweiflung, die Wut.... und wie gut, das Du professionelle Trauerbegleitung hattest und Einzelgespräche möglich waren!
Zitat von Amelie im Beitrag #7Ich denke auch, dass es immer wieder Trauertage oder Trauerstunden brauchen wird, wie in einer Spirale.
ja
Zitat von Amelie im Beitrag #7Und es ist auch immer noch die Fassungslosigkeit da, dass es diesen Menschen einfach so aus dem Leben gerissen hat. Aber der Schock ist vorbei und die Verzweiflung habe ich in diesem Jahr auch weitgehend abarbeiten können. Deshalb kann ich nun viel besser nach vorn schauen. Die neue Wohnung und die Nähe zu meiner Familie haben etwas wegweisendes. Und es sind im Zusammenhang mit der Wohnung und dem Umzug so viele Dinge passiert, dass ich immer wieder das Gefühl hatte, das soll so sein, da rollt gerade mächtig einer die Steine aus dem Weg...
es ist ein Prozee, der viel Zeit braucht und es liest sich für mich so, als tut sich da eine ganze Menge....im positiven Sinne.....
Zitat von Amelie im Beitrag #7............... Ich wünsche uns allen, die durch diese anstrengende und kraftzehrende Zeit gehen müssen, hilfreiche WegbegleiterInnen und ein Grundvertrauen ins Leben.
danke, @ Amelie, auch Dir weiterhin von Herzen alles Liebe und Gute, und danke, dass Du das alles hier schreibst 🙏🏼
Zitat von Amelie im Beitrag #7Immerhin das habe ich in diesem Prozess wieder gefunden.
über diesen Satz freue ich mich am meisten.....
auf mich wird das alles erst noch zukommen- ich befinde mich quasi in einer "Trauervorstufe"- ein Abschied auf Raten- jeder endgültige Abschied ist schrecklich....
"zufällig" habe ich heute folgendes gelesen, als ich nach Infos für ein Konzert in einer Kirche suchte, wo auch eine Trauergruppe angeboten wird:
vor allem den ersten Teil finde ich sehr schön
Dietrich Bonhoeffer sagte: „ Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann, und man soll es auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt diese Lücke aus; er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr unausgefüllt, und hilft dadurch, unsere echte Gemeinschaft miteinander – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren.“
Zitat von 1a2b im Beitrag #8 Dietrich Bonhoeffer sagte: „ Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann, und man soll es auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt diese Lücke aus; er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr unausgefüllt, und hilft dadurch, unsere echte Gemeinschaft miteinander – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren.“
Liebe Amelie, ich kann dir, glaub ich, wenig Tröstliches sagen, aber ich will dir Danke sagen, dass du deinen Weg, den du gerade gehst, so anschaulich mit uns teilst. Ich habe gerade das Gefühl, etwas zu lernen ... und deine Texte haben ja selber etwas Tröstliches an sich, was vielleicht ein bissl paradox klingt. Wahrscheinlich ist es recht simpel - du wirkst sehr stark und es macht Mut, dass es Menschen wie dich gibt.
Es ist gut, dass es für dich stimmig ist - so sieht es auch vom Standpunkt einer Unbeteiligten aus (und als solche hab ich im Grunde leicht reden), aber in diesem Fall decken sich eben die Ansichten von innen und außen - und du wirkst auf mich auch sehr klar, mit der Gabe, intuitiv die 'richtigen' Schritte zu tun und Dinge in Worte fassen zu können. Ich denke, beides wird dir sehr helfen. Den Rest, oder zumindest einen großen Teil davon, macht die Zeit: eine wichtige Zutat - eine heikle, von wegen 'an Grashalmen ziehen'. Ich wünsche dir, dass sie für dich arbeitet. Nach all dem, was du schreibst, kann ich mir es auch kaum anders vorstellen! Und ich wünsch dir, dass der Frühling bei dir ganz wunderbar wird: viel Grün draußen - vielleicht auch am Balkon :-)
PS - der Rilke hat ja auch schon immer Bescheid gewusst. Den kann man immer konsultieren.
Bei 'Brüchigkeit' fallen mir zwei Zitate ein: Our hearts are meant to be broken because this is how they open (angeblich buddhistisch) There's a crack in everything, that is how the light gets in (Leonard Cohen)
Fand ich damals recht tröstlich, wobei mein Herzschmerz ja eine Hausnummer kleiner war.
danke dir Kitty-Snicket, das sind wunderbare Zitate.
Das ich stark wirke, höre ich immer wieder, ich selbst fühle mich aber verletzlicher und verunsicherter als jemals zuvor in meinem Erwachsenenleben. Ich habe viel eher das Gefühl, dass ich den Weg so klar und vorwärts gehen kann, das geht nur, weil es da wohlwollende Kräfte im Jenseits gibt, die mir dabei helfen. Das klingt jetzt abgedreht und ist natürlich eine Frage des Glaubens. Ich bin nicht im Sinne der Institutionen gläubig, d.h. ich hab keine Vorlagen dafür, was ich über den Tod und über das, was danach ist, denken soll. Ich habe auch keine übersinnlichen Wahrnehmungen, aus denen ich Überzeugungen schöpfen könnte. Aber ich habe schon vor seinem Tod das Gefühl gehabt, dass es da Kräfte gibt, die es gut mit mir meinen. Ich habe mir da gerne meine Ahninnen vorgestellt, die allesamt alle recht alt geworden sind. Und nun ist da mein Freund vielleicht auch dabei. Vielleicht nicht unmittelbar, aber ich höre ihn immer wieder sagen, dass ich leben soll, und zwar gut.
Ob dein Herzschmerz eine Hausnummer kleiner war, was spielt das für eine Rolle, und kann man das überhaupt so sagen?
Ich glaube, es ist ähnlich wie bei der Geburt: egal wie leicht oder schwer die ist, sie ist in den meisten Fällen schmerzhaft. Ich hatte danach die Schnauze voll, obwohl ich objektiv gesehen keine sonderlich schwere Geburt hatte (also die meines Kindes, nicht meine eigene). Bei einem Trauerprozess würde ich den Schmerz auch nicht vergleichen wollen, ich glaube das geht einfach nicht.
Wenn 1a2b von einem Abschied auf Raten schreibt - ist das nun mehr oder weniger schmerzhaft als ein Abschied von jetzt auf gleich, weil es einen nahestehenden Menschen plötzlich aus dem Leben reißt? Ich glaube nicht, dass es hier eine Abstufung gibt.
Ich weiß nicht, ob es Konstellationen gibt, in denen man vortrauern kann. Ich war vor seinem Tod schon in einem längeren, verzweifelten Trauerprozess über den Verlust dieser Beziehung, die wir beide weder loslassen noch verbessern konnten. Ich hatte nach seinem Tod die kurze Hoffnung, dass mir dieses Vortrauern irgendwie hilft. Tat es aber nicht. Ich wäre vermutlich besser damit klar gekommen, wenn ich bis zuletzt mit ihm eine gute gemeinsame Zeit gehabt hätte, und wir unsere Liebe hätten leben können. Dann wäre der Schock bei der Todesnachricht zwar vermutlich noch größer gewesen, der Trost danach aber auch. Ich hätte sagen können, wir haben das bestmögliche aus unserer Zeit gemacht. Das kann ich jetzt nicht.
Wobei der Gedanke von dir, 1a2b: wenn ich "mehr hätte tun können", dann hätte ich Mehr getan. Dass ich es nicht konnte, war so, weil es eben nicht ging.
wirklich etwas tröstliches hat. Im Grunde habe ich mir diese Einsicht bei der Trauerbegleitung erarbeitet, aber ich brauche für diese Erkenntnis noch Zeit. Immer noch ist es so, dass ich das nicht wirklich akzeptieren will. Da bin ich eben immer noch in diesem Prozess der Trauer über die gescheiterte Beziehung. Ich konnte nicht loslassen, weil ich mir meine eigene Hilflosigkeit und Machtlosigkeit nicht eingestehen konnte. Langsam begreife ich aber, dass das ein Lebensthema von mir ist. Ich war tendenziell immer schon ein eher wütender und zorniger Mensch. Wut und Zorn waren dieser Hilflosigkeit und Machtlosigkeit vorgelagert, weil ich damit nie umgehen konnte. Ich muss das durch diesen Verlust jetzt lernen diese Gefühle auszuhalten. Denn der Verlust durch Tod lässt (für mich) keine Kompensation durch andere Gefühle mehr zu.
Leise weht ein Blatt vom Baum und Nichts ist mehr so wie es einmal war
@Amelie /all Jetzt habe ich hier noch einmal gelesen u ich bin sehr dankbar für all eure Gedanken, die ihr mitteilen mochtet. Nirgendwo habe ich so viel Trost erfahren wie hier in dieser community. Danke von Herzen 🤗 Pinao
habe versucht, geduldiger zu werden, hab aber damit aufgehört. ging mir einfach nicht schnell genug.
you get older and you learn there is one sentence, just four words long, and if you can say it to yourself it offers more comfort than almost any other. It goes like this: At least I tried. -Ann Brashares -