Lange schwelt er schon, der Konflikt um die Insel Taiwan, ein Machtkampf zwischen Ost und West und den Großmächten China und USA.
Ich denke, ein eigener Thread ist sinnvoll - sollte es bereits einen geben, bitte hier löschen.
Zwar dreht sich im Moment alles um den Krieg in der Ukraine, zumindest in Europa und vor allem Deutschland, ein Krieg zwischen China und USA würde Deutschland aber weitaus mehr treffen aufgrund der Allianzen und Handelsverbindungen.
Momentan ist wieder mal Säbelrasseln angesagt, ein chinesisches Manöver vor der Küste Taiwans als Anwort auf den Besuch der taiwanesischen Präsidentin in den USA.
Wie wird es weitergehen? Kommt es schlimmstenfalls zu WK3 oder kann die Eskalation politisch verhindert werden? Was sind die Auswirkungen für Deutschland?
Ich würde das gerne diskutieren, muss nicht sofort sein, wenn ihr grad alle mit Ostereierfärben beschäftigt seid.
Ich denke, China schaut sich genau an, wie der Westen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine agiert. Wenn Russland gewinnt oder wenigstens mit fetter Beute heim geht, dann dürfen wir uns auf die Katastrophe in Taiwan vorbereiten. Dazu würde wohl Nordkorea in Südkorea sein Glück versuchen.
Ergo: Wenn Russland gewinnt oder wenigstens mit fetter Beute heim geht, dann brennt die Welt und bricht die Weltwirtschaft zusammen. Nicht nur deshalb, aber auf jeden Fall deshalb darf Russland nicht mit auch nur einem einzigen Quadratmeter Beute heim gehen.
Der Afghanistan Krieg hat die USA 849,7 Milliarden Dollar gekostet (Quelle: Statistica), der Irakkrieg 2,1 Billionen Dollar (Reuters 2013). (nicht sicher, ob die Zahlen korrekt sind, die Angaben sind je nach Quelle sehr unterschiedlich). Laut einem früheren US Kollegen sei genau dies der Grund, warum die USA keinen neuen Krieg beginnen werden - die USA verfügen über zuwenig Mittel.
Das will ich gerne glauben, andererseits haben die USA durch die hohe Inflation auch mehr Steuereinnahmen, zudem hat man ja während der Pandemie und dem Ukraine Krieg gesehen, wie plötzlich Sonderhaushalte aufgestellt werden.
Beginnen werden die US sicher keinen. Aber auch die wissen, was passiert, wenn im Osten Landnahme gespielt wird. Daher würde ich jetzt nicht davon ausgehen, daß die sich raushalten.
Ich bin nicht „im Spektrum“. Aber mein EQ ist tatsächlich etwas niedrig.
Zitat von sprachlos im Beitrag #6Ich kann mir keine Meinung dazu bilden. Völkerrechtlich ist es wahrscheinlich sehr verzwickt.
Ja! Taiwan war als Republik China ein Gründungsmitglied der UNO und stellte bis 1971 die alleinige chinesische Vertretung in den Vereinten Nationen. Dazu gehörte ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat. Beim Eintritt der Volksrepublik China in die Vereinten Nationen verlor die Republik China ihre Mitgliedschaft. Die meisten Mitgliedsstaaten der UNO brachen daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab. Das hat vor allem damit zu tun, dass alle Staaten, welche bilaterale Beziehungen mit China unterhalten wollen, auch deren Ein-China-Politik anerkennen müssen. Nach dieser ist Taiwan, oder die Republik China, ein Teil Chinas. Taiwan ist nicht dieser Ansicht. Die UNO hat dich nicht geäußert. Einige „unbedeutende“ Länder erkennen Taiwan völkerrechtlich als Staat an. Andere Länder tun das zwar nicht, haben aber „Quasi-Konsulate“ (z.B. auch Deutschland).
Und die USA haben Vereinbarungen mit Taiwan, daß die Vereinigten Staaten eine Hoheitsgewalt Chinas über Taiwan nicht anerkennen werden". Inklusive Zusage militärischer Unterstützung, wenn China angreifen sollte.
Ich bin nicht „im Spektrum“. Aber mein EQ ist tatsächlich etwas niedrig.
Bei Taiwan geht es inzwischen vermutlich weniger um alte historische Konflikte (Mao vs Chiang Kai-Shek), sondern handfeste wirtschaftliche Gründe. Taiwan besitzt einfach einer Schlüsseltechnologien des 21. Jhd.: die Halbleitertechnik! Trotz aller Anstrengungen sind die chinesischen Firmen nicht konkurrenzfähig und die USA und auch der Westen (Korea und Japan zähle ich da einfach auch mal dazu) können sich nicht erlauben, dass die China die Halbleitertechnik kontrollieren, denn dann gehört ihnen die restliche Wirtschaft genauso.
Ad Chipproduktion: Taiwan "besitzt" die Technologie nicht, sie ist dort allerdings am besten ausgebaut. Dort leben auch sehr viele Menschen mit dem entsprechenden Knowhow und der Erfahrung.
Aber so eine Industrie könnte auch anderswo aufgebaut werden, was allerdings sehr teuer und aus vielen Gründen nicht schnell zu bewerkstelligen ist. Bis vor ein paar Jahren wurde dies deshalb nicht gemacht, weil es um Taiwan relativ ruhig war (sowie Preise und Lieferbedingungen gut).
Es hätte schlicht Unsummen gekostet und dann wäre eben immer noch fraglich gewesen, von welchem Anbieter die Leute kaufen. Diese Lieferketten wie auch die Industrie sind sehr viel komplizierter und langwieriger aufzubauen, als mensch sich das vorstellt.
Wie auch immer, es sind ja die ersten Schritte gemacht, um (wieder) anderswo Chips zu produzieren. Aber Taiwan hat eben über 40 Jahre Vorsprung. Fraglich, wie schnell andere Länder inklusive China dabei sein werden.
Was nun Chinas Pläne für Taiwan angeht, die sind bekannt: China wird früher oder später versuchen, sich Taiwan einverleiben. Historisch gesehen war das reine Ideologie. Heute ist das ein Instrument im erklärten Plan, China zur mächtigsten Nation der Welt zu machen: China versucht, erst zum zweitgrößten Chipproduzenten der Welt zu werden und dann den größten (Taiwan) auszuschalten.
Derzeit wird China von einem Krieg abgehalten, weil ein herkömmlicher Krieg eben die Produktion von Halbleitern beeinträchtigen oder gar unterbrechen würde. Daran hat auch China "as is" wenig bis kein Interesse.
Also wird China sich von der taiwanesischen Chipproduktion unabhängig machen und sein Militär entsprechend aufstellen und ausrüsten. Beides ist bereits im Gange. China hat es zwar bekanntlich nicht eilig bei der Verfolgung der eigenen Ziele, kann aber auf zentrale Weisung unfassbare Resourcen in solche Vorhaben investieren. Und wegen Letzterem kann China eben auch schnell ans Ziel kommen.
Ich nehme Macrons Haltung ganz anders wahr. Er beklagt, dass Europa militärisch-strategisch zu stark von den USA abhängig ist und wünscht sich für Europa eine "strategische Autonomie". Sicherlich richtig, aber das muss Europa dann eben auch praktisch umsetzen und endlich mal gebacken kriegen. Die Situation bezüglich der Ukraine sieht jedoch nicht danach aus, was auch Macorn selbst erkannt hat.
Aber anzunehmen, Europa würde von den USA in der Taiwan-Frage in eine Krise "hineingezogen, die nicht Europas Krise ist", ist doch Unsinn. Solange die Weltproduktion von Halbleitern so sehr in Taiwan konzentriert ist, und die Weltwirtschaft, insbesondere aber Europa so abhängig von chinesischer Produktion ist, betrifft ein chinesischer Angriff auf Taiwan die ganze Welt.
Die Frage wäre auch nicht, ob Europa sich militärisch involvieren müsste oder könnte, sondern wie Europa dann dastünde. M.E. völlig unabhängig von einer Parteinahme ziemlich nackt im eiskalten Wind.
So ist das halt mit wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten. Gegen das, was Europa bei einem chinesischen Angriff auf Taiwan blühen würde, ist die Situation mit Russland ein Klacks.
Zitat von Nicolo im Beitrag #11Also wird China sich von der taiwanesischen Chipproduktion unabhängig machen und sein Militär entsprechend aufstellen und ausrüsten.
Ja, das ist wohl das Ziel.
Ich habe gerade von dem Konzern ASML gelesen, der in den Niederlanden beheimatet ist. Wie es scheint sind die alleiniger Produzent hochwertigster Maschinen zur Herstellung von Hightech-Chips und damit sozusagen das Nadelöhr der Chipherstellung. Da muss China dann auch noch dran und sich unabhängig machen. Die Dinge sind nicht gerade einfach heutzutage.
Nein, die Dinge sind nicht einfach heutzutage. Aber so gut die Leute bei ASML auch sind, zaubern können und tun sie nicht. Mit der chinesischer Geduld, Konsequenz und den gigantischen chinesischen Ressourcen wird China also auch dieses Problem lösen - früher oder später.
Chinas Präsident Xi Jingping kündigt in seiner Neujahresansprache eine Wiedervereiningung mit Taiwan an.
Trotz starker Medienkontrolle ist sichtbar, daß das Land mit einer noch nie da gewesenen Wirtschaftskrise kämpft. Eine hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen, die trotz Ausbildungsdrill keine Jobchancen haben, immer weniger Wanderarbeiter sowie der Crash zweier großen Immobilienunternehmen, die die Altersrücklagen der Mittelschicht vernichtet haben. Dazu hat sich die chinesische Wirtschaft nicht so von Corona erholt, wie erhofft.*
Wie so oft bei Diktaturen soll Säbelrasseln von den innenpolitischen Problemen ablenken.
Am 13. Januar sind Wahlen in Taiwan, alle warten gespannt auf die Reaktion Chinas.
Hier eine - wie ich meine ganz gute - Analyse des Historikers Niall Ferguson über den kalten Krieg zwischen USA und China und was mit Taiwan passieren wird.
„Dann wird diese Welt überhaupt nicht mehr existieren, sie wird zerfallen“ (Artikel hinter Bezahlschranke, aber es gibt ein Probeabo für 1 Euro)
Für mich bleibt es spannend, wie die deutsche Regierung im Falle eines Angriff auf Taiwan reagieren wird. Es bestehen starke Abhängigkeiten der Wirtschaft von China, ideologisch wird man aber wohl eher den USA folgen.
*Quelle: Dass selbst Xi die schlechte Lage nun einräumt, ist ein böses Omen für Taiwan (Welt, 7.1.24, Schranke)
Zitat von Mendo im Beitrag #15Für mich bleibt es spannend, wie die deutsche Regierung im Falle eines Angriff auf Taiwan reagieren wird. Es bestehen starke Abhängigkeiten der Wirtschaft von China, ideologisch wird man aber wohl eher den USA folgen.
Wie wohl? Scholz wird seine vollste Unterstützung für Taiwan zusagen und dann bereits bei 5.000 Helmen ein halbes Jahr ins Zögern und Zaudern verfallen.
Es wird dann aber die Anerkennung und die Aufnahme von regulären diplomatischen Beziehungen des Westens mit Taiwan folgen.