Ich habe übrigens unsere gemeinsame Mittagspause (haben mein Mann und ich Montags im Home-Office aktuell) heute genutzt, um die Geschichte von Jorinde zu erzählen. Aufhänger war etwas ganz anderes, es ging (auch mir) erstmal nur um Wahrnehmung und Wirklichkeit. Da erzählte mein Mann, dass bei der Mutter seines Kollegen (die auch noch allein lebt, ein paar Häuser weiter von ihrem Sohn), jetzt auch solche Ängste auftreten und der Kollege langsam echt verzweifelt ist. (Aber, soweit ich weiß, natürlich noch nach keinem Heimplatz sucht, weil er immer denkt, das muss doch gehen, wenn er praktisch nebenan lebt.) Das habe ich nochmal genutzt, um von der Demenz-WG in unserem Stadtteil zu erzählen, in der die Tante einer Kollegin von mir war und jetzt die Mutter einer anderen Kollegin von mir eingezogen ist. Bei letzterer war es auch so, dass sie nachts große Ängste hatte und dann (so gut war sie kognitiv noch drauf, sie lebte ja auch alleine und kein Kind vor Ort) nachts bei Tochter und Sohn anrief. Ich habe ihm jetzt mal den Link zur Demenz-WG "für seinen Kollegen" geschickt. Mal sehen, welche Denkprozesse das so auslöst. Ich merke gerade, dass es für ihn einfacher ist, wenn ich das Thema anspreche, wenn ich über andere Menschen rede als über seine Mutter. Da fühlt er sich nicht so unter Druck gesetzt.
@DieBea Ich stelle es mir wirklich schwer vor, sich, wie bei deinen Eltern, rauszuhalten. Ich merke es bei mir, dass ich mich doch auch abgrenze, indem ich nicht mehr groß nachfrage, wobei ich helfen könnte. Sie wehren alles ab, dann ist's eben so. Aber nachdenken tu ich trotzdem viel drüber. Irgendwann geht es eben nicht mehr, und dann müssen sie es so nehmen, wie es möglich ist.
Jorinde, dass sich da eine Möglichkeit mit der Tochter von Bekannten aufgetan hat, ist doch prima! Dann bist du nicht allein mit deinen Gedanken und Überlegungen!
Menschen können nicht irgendein Leben führen, sondern nur ihr eigenes. Remo Largo
Irgendwo gelesen funktioniert bei meinem Mann nicht so gut. Da fühlt er sich wieder in die Ecke gedrängt, weil ich mich zum Thema schlau mache, obwohl es ja seine Mutter ist.
Was ihn gerade glaube ich eher stark nachdenken lässt sind Erfahrungen von Menschen, die er kennt, oder wenn ich von den Eltern von Freundinnen erzähle.
Immerhin glaube ich, dass gerade ein Denk- und Lernprozess eingesetzt hat. Wobei immer noch vieles heruntergespielt wird.
Dass sie am Samstag z. B. unseren 15-jährigen Sohn erstmal mit dem Namen ihrer über 30-jährigen, ganz woanders wohnenden Enkelin ansprach hat ihn zwar kurz schlucken lassen, aber dann kam gleich ein "naja, mit den langen Haaren, und im Gesicht ist da ja auch eine Ähnlichkeit..." Äh, ja, das mag sein, aber einen 15-jährigen Jungen, den man jede Woche sieht, plötzlich nicht mehr mit den Namen des erwachsenen Enkels, sondern jetzt mit dem Namen der erwachsenen Enkelin anzusprechen, ist schon speziell. Als der 15-jährige das am nächsten Tag dem älteren Bruder erzählte, sagte der auch nur "oha!"
Irgendwie scheint es für Kinder leichter zu akzeptieren sein, wenn die körperlichen Fähigkeiten der Eltern nachlassen. Vielleicht, weil man das nicht so gut ignorieren kann. Ich bin leider noch nicht viel weiter. Die Tante hat zwar am Montag zweimal angerufen, aber trotz meiner Frage hat sie mir die Telefonnummer der Freundin nicht gegeben, sondern nur gesagt "die muss ich raussuchen". Ein drittes Mal hat sie nicht angerufen - und ich hatte den Eindruck, sie will sie mir nicht geben. Ich probiere es morgen nochmals.
Jorinde, ich glaube das geht in beide Richtungen. Also das "akzeptieren", bzw. nicht mehr leugnen können. Wenn ich die Treppe nicht mehr hochkomme, kann ich das nicht schönreden. Dann komme ich da nicht mehr noch. Wenn ich nicht genau weiß, wer der nette Mensch ist, der da vor mir sitzt, kann ich immer noch relativ nichtssagenden Smalltalk machen, so dass das gar nicht auffällt und ich mir auch nicht eingestehen muss, dass ich den eigentlich kennen müsste.
Und ich glaube, dass eben auch geistige Einschränkungen, ähnlich wie psychische Erkrankungen, stärker tabuisiert sind als körperliche Erkrankungen. Insbesondere bei der älteren Generation.
Ich bin da vollkommen bei dir, Tigerente. Meine Mutter konnte das meisterhaft kaschieren und ich glaube auch, ich wollte das nicht so genau erkennen, wegen der Konsequenzen, die dann eigentlich fällig wären. Und ich wusste, ich renne da bei meinen Eltern gegen eine Mauer. Als mein Vater gestorben war, hab ich ein paar Nächte dort geschlafen und da fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen, aber da war die Situation auch anders, ich war jetzt „zuständig“ und wusste, ich muss was machen.
Ich denke mir das auch so oft, wenn jemand von seiner Mutter oder seinem Vater berichtet und sagt, er wäre „wahrscheinlich“ dement oder habe „beginnende Demenz“. Und dann wird erzählt, woran man das festmacht und das sind in 90% aller Fälle Geschichten, wo ich denke, das hat mit beginnender Demenz nicht mehr viel zu tun. Also Wahnvorstellungen, schon seit längerem nicht mehr orientiert in Zeit und Raum etc. Als „Kind“ der Eltern will man das nicht wahrhaben.
Meine Schwiegermutter war auch dement und ich mache mir heute noch Vorwürfe, das damals nicht erkannt zu haben. Wir haben damals beispielsweise befremdet festgestellt, dass sie anscheinend gar kein Mitgefühl mehr mit anderen aufbringen kann und vorrangig um sich selbst kreiste. Es gab da eine Situation mit einer Bettnachbarin im Krankenhaus, die starke Schmerzen hatte, sie war nur genervt und äußerte das auch vehement und unhöflich. Es gab einige Anzeichen, beispielsweise zig Schrammen im neuen Auto. Wir dachten, naja, sie war schon immer eine schlechte Autofahrerin. Sie erkannte manche Enkel nicht oder dachte, der 16jährige wäre noch in der Grundschule und wir dachten, ja tüddelig. Aber das ist auch 20 Jahre her und man konnte sich noch längst nicht so gut informieren wie heute.
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Beim Familienessen am Sonntag, an dem ich krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte, hat der Schwiegervater die Ehemänner der beiden Enkelinnen nicht erkannt und meinen Mann gefragt, wer denn diese Männer seien. Er war auf beiden Hochzeiten. Reaktion meines Mannes beim Telefonat: "naja, er sieht die beiden auch sehr selten und da ist ja verständlich, dass..." Das ist more than tüddelig, aber ich habe nicht weiter kommentiert.
Immerhin hat die Tante gestern angerufen und mir die Nummer der Freundin gegeben, die sie noch besucht, so dass ich dort diese Woche einmal anrufen kann und schauen, ob sie zum Stand mehr weiß.
Zitat von Jorinde im Beitrag #333Beim Familienessen am Sonntag, an dem ich krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte, hat der Schwiegervater die Ehemänner der beiden Enkelinnen nicht erkannt und meinen Mann gefragt, wer denn diese Männer seien. Er war auf beiden Hochzeiten. Reaktion meines Mannes beim Telefonat: "naja, er sieht die beiden auch sehr selten und da ist ja verständlich, dass..." Das ist more than tüddelig, aber ich habe nicht weiter kommentiert.
Genau wie mein Mann. Ich bin mir z. B. nicht sicher, ob meine Schwiegermutter mich noch erkennen würde, wenn sie mir beim Einkaufen begegnen würde. Also außerhalb des häuslchen Kontextes. Trotzdem käme da "sie war halt überrascht, und wahrscheinlich ist ihr nur der Name gerade nicht eingefallen". Dabei fällt ihr der schon seit Wochen nicht mehr ein. Wie ich oben schon schrieb, kam ja auch "ja, unser Sohn sieht der anderen Enkelin halt ähnlich, und dann noch die langen Haare..." - äh, nein. Er sieht auch nicht aus wie die Enkelin mit 15, eher wie der andere Enkel mit 15, aber er hat halt lange Haare. Ihn deshalb mit dem Namen einer 33-jährigen Enkelin anzusprechen finde ich schon einen denkwürdigen Aussetzer. Aber ich darf das auch nicht kommentieren.
Aber gut, dass Du jetzt die Telefonnummer der Freundin hast.
Meinem Mann ging erst dann ein ganzer Kronleuchter auf, als seine Mutter ganz aufgeregt von einem fremden Mann erzählte, der ums Haus spioniert. Da zu der Zeit bei uns in der Gegend eingebrochen wurde, dachte er zuerst an sowas und informierte seinen Vater, auch die Augen offen zu halten. Am nächsten Tag saß sie wieder bei mir in der Küche und erzählte von dem Spion. Und dass der sie sogar im Bad ausspioniert, und in ihrem Bett schläft!
Ich sagte ihr, das sei doch ihr Mann; nein, ihr Mann ist nicht so alt! Das ist ein Fremder, der Rotfüßler! (Schwiegervater trug rote Hausschuhe...)
Manchmal muss es heftig werden, bis die Kinder es schnallen.