Klingt sehr interessant. Ich finde den Blick auf die Zwischenkriegszeit spannend, zeigt er doch, dass damals noch viele Kunstströmungen neben einander bestehen konnten.
Erst nach dem zweiten Weltkrieg, als die USA massiv die Nachkriegskunst in Deutschland steuerten und prägten, erlangte die abstrakte Kunst, vor allem der abstrakte Expressionismus, ihre Führungsposition. Es wurde eine strikte Trennung zwischen Ost- und Westkunst durchgesetzt: Während in der DDR die Tradtionen weiterliefen und weiterhin figürlich gemalt wurde, war das im Westen verpönt. Jeder, der in den Nachkriegsjahrzehnten bis 1990 an einer westlichen Kunstakademie studierte, kannte die unausgesprochene Regel: Bloß nicht figürlich malen! Sie wurde nie begründet, es hieß höchstens: Das macht man nur im sozialistischen Realismus. Oder in der Illustration. Das änderte sich erst 1990, als der Hype um die Leipziger Maler begann.
Manchmal frage ich mich, wie die Kunstgeschichte wohl in Westdeutschland weiter gegangen wäre, hätte es diesen kulturellen Bruch durch den zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Erst langsam werden die Zwänge und Tabus der Nachkriegskunst aufbereitet. Interessanterweise fand diese strikte Trennung zwischen figürlicher und abstrakter Kunst im angelsächsischen Raum nie statt, sondern nur im deutschsprachigen. Und sie hatte politische Gründe.
Danke für diese Gedanken, @Timarete! Mittlerweile war ich in der Ausstellung und kann Dir nur beipflichten.
Die Ausstellung selbst ist grandios, wenn man vom für meinen Geschmack wenig anziehenden Ambiente der KuMa absieht. Die Bilder hängen dicht an dicht, und die Kunsthalle hatte viele aus Platzmangel auch ablehnen müssen. Das führe ich darauf zurück, dass die "neue Sachlichkeit" halt heute viel zu selten ausgestellt wird. Der politische Aspekt ist signifikant. Die Kunst der Weimarer Republik hat die damalige Gegenwart gezeigt, einschl. der Abgründe. V.a. die Darstellung der Misogynie der 1920er Jahre (Bsp.: "Verkauf" deutscher Frauen an die Siegermächte, aus denen Männer in Scharen nach Berlin kamen, um mit ihren harten Devisen quasi für nichts Frauen zu kaufen, u.v.m.) kommt gut raus. Einige Künstler sind dann zu den Nazis übergelaufen und haben ihr Können in den Dienst der NS-Propaganda gestellt. (Auch das kommt in der Ausstellung gut raus.) Und eben das war das Problem nach dem 2. WK in Deutschland: Realistische Kunst hatte den Geruch von Propaganda, weswegen der Westen sich davon abwandte und der Osten sie weiterhin für Propaganda nutzte. So schade!
Danke für eure Infos, Timarete und Galah Ich beabsichtige, mir im Februar "Die neue Sachlichkeit" in Mannheim anzuschauen, bin schon sehr gespannt. Heute war ich bei Matisse bei Beyeler in Basel. Die Ausstellung ist sehr schön und umfangreich, aber leider auch entsprechend gut besucht.
Das klingt sehr spannend, Galah! Danke für deine Schilderungen.
Diese Kunst war aber nicht nur Propaganda, es gab auch beißend kritische Künstler. Man denke nur an George Grosz und Otto Dix. Grosz emigrierte in die USA und Dix zog sich auf die Insel Höri am Bodensee zurück. Für Dix war es das Ende seiner Karriere. Er wurde wie viele andere, gegenständlich und figürlich arbeitende Kollegen einfach abgeschrieben und übersehen, während Leute wie Nolde weiterhin als "Entartete" hoch geschätzt wurden. Noldes Bilder hingen sogar bei Merkel im Kanzleramt, bis sich herausstellte, dass er sich den NS-Funktionären direkt angebiedert hatte, sie ihn aber nicht wollten.
Ich sah 1990 in Weimar eine interessante Ausstellung, die die figürliche Kunst der NS-Zeit und die der DDR zeigte. Sehr spannend. Die NS-Kunst bestand vorwiegend aus Heimat-Kitsch, während die DDR-Kunst einen ganz anderen Level hatte. Auch wenn man nicht zu kritisch sein durfte, gab es dort eine Reihe sehr guter Maler. Die Maltraditionen wurden im Osten bewahrt, während es im Westen verpönt war, technisches Können weiterzugeben.
Es ist inzwischen gut belegt, wie stark der CIA Einfluss auf die Kunstzene in Westdeutschland nahm. Link
Man darf nicht vergessen, dass sich in der Weimarer Republik viele Künstler für revolutionäre Ideen und den Kommunismus begeisterten. Der Einfluss des CIA sollte dem ein Ende machen. Jackson Pollocks Bilder und der vom Kongress für kulturelle Freiheit favorisierte Abstrakte Expressionismus waren Inbegriff formaler Freiheit bei gleichzeitiger Abwesenheit direkter politischer Botschaften. s. Link.
So konnte man sich hinter der Abstraktion verstecken und musste sich nicht mit den Gräueln des Krieges beschäftigen, wie es George Grosz nach dem ersten Weltkrieg getan hatte. Dieses Kapitel um die politische Einflussnahme der USA ist m.E. immer noch nicht ausreichend aufgearbeitet, denn dieser radikale Schnitt in einer Kunstszene, die in der Zwischenkriegszeit sowohl Abstraktion wie figürlliche Kunst umfasste, ist kunstgeschichtlich völlig unlogisch und betraf nur den deutschsprachigen Raum.
Mir hat sie gut gefallen, manches in den Projektionsvorführungen fand ich etwas lang, anderes einfach nur faszinierend! Der virtuelle Rundgang durch Delft für mich was ganz Neues. Leider gibt's kein Café oder sowas.
Auf jeden Fall würde ich nun gerne ein paar Orginalbilder von ihm sehen, sie sind ja in der ganzen Welt verstreut. Aber ist notiert!
Sie geht leider nur noch bis 27. April, aber vielleicht hat ja jemand Lust und Zeit in den Osterferien.
Menschen können nicht irgendein Leben führen, sondern nur ihr eigenes. Remo Largo