Zunächst mal muss ich mich entschuldigen, dass ich mich trotz Tagging nicht gemeldet hatte. Ich hab die Benachrichtigungen abgestellt und diesen Strang nur per Zufall eben entdeckt. Meine Antworten hinken nun etwas nach. Sorry.
Zitat von Iceman im Beitrag #1 2. Sollen die australischen Städte bald nur noch die (für uns ungewohnten) Aborigine-Namen tragen? Oder wäre hier (wie ich finde) Zweisprachigkeit die bessere Lösung? Hier wäre ich auf die Meinung von @frangipani gespannt.
Ich sehe es ehrlich gesagt nicht, dass es komplett auf die indigenous Namen hinauslaufen wird, zumindest nicht in den nächsten 10-20 Jahren und erst recht nicht, wenn wir - was ich nicht hoffe - nächstes Jahr einen Regierungswechsel haben sollten. Abgesehen davon, dass das Administrative einer kompletten Umbenennung gewaltige Kosten nach sich ziehen wird, wäre es auch interessant, was aus der indigenous Bevölkerung an Stimmen dazu kommt. Und wie ernst es allen ist oder ob es nur Show ist, aus vermeintlicher Solidarität, wie Windowdressing, sozusagen. Oder ob man es nur macht, weil 'man es muss'.
Es gibt hier seit Jahren die Tradition, dass bei fast jeder Veranstaltung vorab den ursprünglichen Besitzern des Landes gedankt und sie anerkannt werden (sofern das Wort passt, denn Aborigines und Torres Strait Islanders sehen sich nicht als 'Besitzer' eines Landes, sondern als 'Custodians'/Hüter).
"‘I would like to begin by acknowledging the Traditional Owners and Custodians of the land on which we meet today, the (xyz people) of the (xyz nation), and pay my respects to their Elders past and present, as well as to emerging leaders. I extend that respect to Aboriginal and Torres Strait Islander peoples here today.’"
Finde ich generell sehr gut, aber manchmal kommt es mir, grad wenn es runtergeleiert wird, auch wie eine Pflichtaufgabe vor. Das wird auch immer mal wieder von der indigenous Bevölkerung angekreidet. Und die Gefahr sehe ich auch bei der Umbenennung.
Zitat von Iceman im Beitrag #12[quote=Galah|p1274293]... Beim Uluru hatte das auch geklappt, den alten Namen verwendet heute keiner mehr.
Bis auf die eingeschworenen Dickheads hier, die drauf bestehen, weiter Ayers Rock zu sagen, weil sie sich das ja von den Greenies und Wokies nicht nehmen lassen werden.
Zitat von Iceman im Beitrag #12 Bei den Städten fände ich die Zweisprachigkeit gerecht, denn sie haben ja sowohl eine Geschichte als Wohnplätze der Ureinwohner als auch später unter dem englischen Namen. Also wenn man Sydney jetzt komplett umbenennen würde, würde man für mein Empfinden die kulturelle, wirtschaftliche, städtebauliche etc. Entwicklung der Stadt, die sie nunmal seit 1788 unter diesem Namen genommen hat, unter den Tisch kehren.
Grundsätzlich kann man in Australien aber jetzt nicht anfangen, alles umzubenennen, was nach europäischen Entdeckern benannt ist, da müsste man, angefangen mit Tasmanien, jeden Berg und jede zweite Straße umbenennen. Daher finde ich es gut, bei den Städten und mit Zweisprachigkeit weiterzumachen, sofern überhaupt möglich, da manche Städte womöglich auf einer Territorialgrenze zweier verschiedener Stämme liegen.
*gefettet von mir
Das sehe ich auch so. Zumal es beim Grossraum Sydney wirklich schwierig würde, denn dann müsste man es aufteilen, da hier mehrere Völker leben. Das Städtekonzept gab es ja früher nicht, da waren es Landstriche. https://aiatsis.gov.au/explore/map-indigenous-australia
Ein guter Teil unserer Stadtteile in Sydney (und in anderen Städten natürlich auch) hat übrigens schon seit eh und je aborigine Namen., zB Wooloomooloo, Kuringgai, Wattamolla, Barangaroo. Strassen, Parks und Plätze mit indigenous Namen gibt es auch schon lange. Nach einiger Zeit hat man auch die indigenous Namen, die öfter genannt werden, oder die in der eigenen Gegend sind, im Kopf. Es kommt natürlich auch drauf an, in welcher Bubble man sich bewegt, ich hab einige Kunden aus dem Kunstbereich, da wird schon verstärkt Wert auf die indigenous Namen gelegt. Das bleibt hängen.
Aber das Gefettete zeigt auch den Kernpunkt der konstanten Debatten hier - wie bekommt man die gesamte Geschichte gut unter einen Hut, um zusammen eine gesunde Zukunft zu gestalten.
"We can, in fact we must, continue to fight to make everything about society better, without destroying what's already great." Carrick Ryan, Australian political commentator
"We are all just walking each other home." Ram Dass, writer
Und selbst nach 24 Jahren schreibe ich es noch falsch - es fehlt noch ein 'l': Woolloomooloo
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Eingedeutschte Varianten von Ortsnamen finde ich überhaupt nicht problematisch. Das macht jede Sprache, weil bestimmte Laute einfach schwierig auszusprechen sind. Mailand, Paris, London, Munich, Cologne ... Die Städte mit dem originalen Namen auszusprechen, wirkt für die meisten Leute wahrscheinlich eher hochnäsig. Ich habe teilweise die Erfahrung gemacht, dass die Menschen überhaupt nicht mehr verstanden haben, um welche Stadt es eigentlich ging.
Einheimische Umbenennungen wie Kaliningrad, Kongo o. ä. gilt es zu respektieren.
Bei schwierigen Namensvorbildern bin ich an erster Stelle für Aufklärung. Ich zum Beispiel denke bei Hindenburg immer an das Zeppelinunglück, weil ich als Kind ein Buch mit einem eindrücklichen Foto und Bericht dazu hatte. Dass es Paul von Hindenburg gab, ist mir erst viel später bewusst geworden. Für mich hat die Diskussion um Onkel-Toms-Hütte in Berlin viele Fragen aufgeworfen. Mein erster Gedanke war, dass ich den Gedanken einer Umbenennung rassistischer finde als den Straßen-/Haltestellennamen nach einem Roman, der die Schrecken der Sklaverei beschreibt und damit endet, dass Mr. Shelby seine Sklaven freilässt und die Menschen sich daran erinnern sollen, dass Onkel Tom der Grund dafür ist. Gerade in solchen Fällen finde ich es wichtig, dass es eine öffentliche Diskussion gibt, bei der die Menschen gehört werden. In den Medien wünsche ich mir für solche Fälle auch eine sachliche Berichterstattung. Meistens wird dann skandalisiert.
Spannend finde ich noch Rio de Janeiro. Der Stadtname ist portugiesisch und auf ein Missverständnis zurückzuführen (dass es sich um eine Flussmündung statt um eine Bucht handelt). Aber die Bezeichnung für die Bewohner ist Carioca und aus der Tupi-Sprache übernommen. Es ist die Fremdbezeichnung der Einheimischen für die weißen Kolonialisten.
Zitat von Galah im Beitrag #10nd Wikipedia etc. hat bereits den neuen Namen adaptiert, so dass der alte Name in einigen Jahren vergessen sein dürfte.
Wikipedia setzt sich auch dafür ein, dass die Eigenbezeichnung von Volksstämmen als Lemmaname verwendet wird. Dabei nutzen sie aber den Namen, der heute vom Stamm verwendet wird, was teilweise auch die ursprüngliche Fremdbezeichnung ist.
Zitat von Iceman im Beitrag #25@dekomaus24, das ist wirklich interessant, dass in Namibia nach der Unabhängigkeit keine Umbenennung stattgefunden hat. Da gibt es ja noch jede Menge deutscher Ortsnamen aus der Kolonialzeit.
Soweit ich weiß, gab es in Namibia nur wenige Umbenennungen aus den Bantu und Khoisan-Sprachen. Die Städte haben oft ihren ursprünglichen Namen behalten (z. B. Oshakati), oder sind europäische Neugründungen (z. B. Lüderitz). Umbenennungen, die nicht rückgängig gemacht wurden (z. B. Swakopsmund, Windhoek) sind meines Wissens eher selten.
Zitat von Sariana im Beitrag #27Ronja, ich weiß nicht, was im Personalausweis eines Bürgers, der vor 1990 in Karl-Marx-Stadt geboren wurde, als Geburtsort steht - ich persönlich würde das nicht als rückwärtsgewandt interpretieren. Eisenhüttenstadt hieß von 1953 bis 1961 Stalinstadt, weil der ehemalige "Ortsteil" im Kreis Fürstenberg an der Oder Wohngebiet des Eisenhüttenkombinats "J. W. Stalin" war.
Zumindest auf Sterbeurkunden steht es so, wie es in der Geburtsurkunde stand (auch wenn sich das Land geändert hat), mit einem Zusatz, wie der Ort heute heißt, bzw. in welchem Land der Ort heute liegt.
Zitat von WhiteTara im Beitrag #32Bei mir in der Stadt ist auch seit einigen Jahren Straßenumbennung im Gange, weil eine Ethikkommission für so manche Straße die Umbenennung empfahl. Es hieß, die Bürger besonders auch die Anwohner werden mit einbezogen. Es gab durchaus Gespräche, schriftliche Umfragen...im Falle meiner aktuellen Wohnstraße ( und auch bei anderen Umbenennungen) hatte ich aber eher den Eindruck: die Kommission empfahl die Umbenennung, es gab dazu auch gleich einen Katalog mit neuen Vorschlägen und in keinem einzigen Fall wurden bisher Bürgerwünsche/-vorschläge umgesetzt, sondern immer eine Vorschlag der Kommission genutzt.
Die Theorie hinter dem Vorgehen finde ich gut. Schade, dass es in der Praxis nicht geklappt hat.
Zitat von Araci im Beitrag #79... Für mich hat die Diskussion um Onkel-Toms-Hütte in Berlin viele Fragen aufgeworfen. Mein erster Gedanke war, dass ich den Gedanken einer Umbenennung rassistischer finde als den Straßen-/Haltestellennamen nach einem Roman, der die Schrecken der Sklaverei beschreibt und damit endet, dass Mr. Shelby seine Sklaven freilässt und die Menschen sich daran erinnern sollen, dass Onkel Tom der Grund dafür ist. Gerade in solchen Fällen finde ich es wichtig, dass es eine öffentliche Diskussion gibt, bei der die Menschen gehört werden. In den Medien wünsche ich mir für solche Fälle auch eine sachliche Berichterstattung. Meistens wird dann skandalisiert. ...
Herzlich willkommen im Forum, Araci, und Danke für deinen interessanten Beitrag. Das mit Onkel Toms Hütte in Berlin finde ich spannend, passt super in diesen Strang. Ich habe die Bezeichnung schon auf dem Stadtplan gesehen, mich aber nie näher mit den Hintergründen beschäftigt, werde ich bald mal nachholen - aber erst nach Feierabend.
Zitat von Araci im Beitrag #79 Für mich hat die Diskussion um Onkel-Toms-Hütte in Berlin viele Fragen aufgeworfen. Mein erster Gedanke war, dass ich den Gedanken einer Umbenennung rassistischer finde als den Straßen-/Haltestellennamen nach einem Roman, der die Schrecken der Sklaverei beschreibt und damit endet, dass Mr. Shelby seine Sklaven freilässt und die Menschen sich daran erinnern sollen, dass Onkel Tom der Grund dafür ist.
Das sehe ich anders. Die Bezeichnung eines Schwarzen mit der Verbindung "Onkel" oder "Tante" st heute ebenso rassistisch wie das N-Wort, auch Uncle Ben`s Reis oder die Backmischung Tante Jemima gibt es heute nicht mehr. Sklaven hatten kein Recht auf die respektvolle Anrede "Mr." oder "Mrs" und wurden deshalb so genannt. Der Roman war darüber hinaus zwar gegen die Sklaverei gerichtet, die Hauptfigur des passiven, unterwürfigen Sklaven mit kindlichem Gemüt stösst aber heute auf Kritik und wird von Afroamerikanern als herablassend und beleidigend angesehen.. Der Name "Onkel Tom" wird in den USA heute als Schimpfwort verwendet, das "Onkel-Tom-Syndrom" beschreibt diese stereotype Haltung.
Zitat von Stefanie63 im Beitrag #81... auch Uncle Ben`s Reis oder die Backmischung Tante Jemima gibt es heute nicht mehr.
Ist wohl besser so. Obwohl ich mich erinnere, dass in der Werbung in meiner Kindheit dieser Onkel Ben durchaus sympathisch rüberkam. Aber klar, sehr stereotyp und klischeebeladen, und als Kind hat man die Hintergründe natürlich nicht so reflektiert. Offenbar hat es aber auch von den Erwachsenen kaum jemanden gestört. Aunt Jemima kenne ich nur aus den USA, gab es die Marke auch bei uns? Bei Onkel Toms Hütte in Berlin spielt ja noch mit, dass der Besitzer der damaligen Ausflugsgaststätte in Zehlendorf Thomas hieß, also die Kurzform Tom vorstellbar wäre, verbunden mit der Anspielung auf den berühmten Roman? PS: Diese Siedlung hat ja eine bewegte Geschichte, benannt nach einem Gastwirt, der einen Roman zitiert, und später dann von den Nazis diffamiert ("Papageiensiedlung") wegen ihrer modernen Architektur aus den 1920er-Jahren, an der auch jüdische Architekten beteiligt waren. Müsste man sich glatt mal anschauen beim nächsten Berlinbesuch.
Ich denke, das ist so ähnlich wie der Sarotti-Mohr. Es geht nicht darum, ob die Figur als sympathisch oder positiv wahrgenommen wird, sondern um die transportierten Klischees.
@Stefanie63 Deshalb schrieb ich ja: "Mein erster Gedanke ..." Ich habe in Onkel Tom auch nie den unterwürfigen, passiven Sklaven gesehen, sondern einen zugewandten, liebevollen Menschen, der sich ja Mr. Lagree standhaft widersetzt. Dazu muss ich allerdings auch sagen, dass ich das Original noch nie vollständig gelesen habe, sondern nur die Kinderfassung. Die habe ich damals sehr intensiv gelesen und konnte sie in Teilen beinahe auswendig.
Mir war auch nie bewusst, dass "Uncle Tom" abfällig verwendet wird. Ich hatte dann recherchiert und bin natürlich auch darauf gestoßen. Ich hatte es nur durch Filme, Bücher etc. nie mitbekommen.
Deshalb finde ich es in diesen Fällen auch wichtig, dass es eine gute Kommunikation gibt und nicht die Zeitungen skandalisieren.
Darf er das denn? Gehört der zu den USA (etwas dumm gefragt?)
Ich dachte, die Afroamerikaner nennen auch untereinander Bekannte, die mindestens eine Generation älter sind, Tante bzw. Onkel. Aus "Wurzeln" von Alex Hailey hatte ich den Eindruck, wer auf derselben Plantage lebt, betrachtet sich als Familie. Gerade in einer Zeit, in denen biologische Familien oft durch Verkauf auseinander gerissen wurden ...
Das scheint dann anders zu sein, als hier. "Aunty und 'Uncle' ist bei den Aborigines eine Auszeichnung, so werden nur die genannt, die in den Kreis der Elders gehören. Und sie werden auch von den Nicht- Aborigines so genannt, es ist wie eine Art Titel.
Zum Golf von Mexico - ich las irgendwo, dass er das im Land 'gerne' so handhaben könne, mit der Umbenennung, aber dass es international nicht gilt. Anders ist es wohl mit dem Berg, weil das eine interne amerikanische Sache ist.
Der Panama Kanal gehört seit 1999 vollständig zu Panama.
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Ich habe jetzt mal meinen Weltatlas von 1970 ( Diercke) hervorgeholt . Da ist die DDR rosa - sieht aus wie ein Bundesland - und die alten Grenzen sind auch eingezeichnet. In einem kleinen Bild unten sind noch die Grenzen von 1914 und 1921 abgebildet, mit Ostpreußen.
Ich musste auf der Heimfahrt aus Frankreich kürzlich wieder grinsen über "Grosbliederstroff" kurz hinter der französischen Grenze. Auf der deutschen Seite gibt es Kleinblittersdorf ... ich vermute mal, dass das ursprünglich mal ein deutsches Pendant hatte :)
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Ach, da warst du zwischen Saarbrücken und Saargemünd unterwegs, nette Ecke da!
Ich war kürzlich etwas weiter westlich davon, in Yutz bei Thionville. Auch ein spannender Name. Einer der wenigen frz. Ortsnamen mit Y. Früher im Deutschen hieß es Jeutz. Aber wenn man das J behalten hätte, dann hätte es in der frz. Aussprache wohl zu sehr nach "jeu" (Spiel) geklungen.
Interessant, dass bei Thionville das -hofen von Diedenhofen zu -ville wurde. Bei anderen Orten, z.B. Reichshofen im Elsass, wurde es übernommen und in der frz. Schreibweise nur das f verdoppelt.
Fun fact: In Deutschland gibt es nur einen einzigen Ort mit Y vorne, Yach.