Also mit den Wetterkarten - die gab es zeitweise sogar noch in den 70ern - auch beim ZDF - habe da leider keinen Link gefunden auf die Schnelle. Wir hatten einen Fernseher in der Familie ab 1971, so ab naja 1973 an guckte ich immer beim ZDF irgendwelche Vorabendserien, anschliessend kamen die Nachrichten 19:00 - und da kamen die Wetterkarten zeitweise in den alten Grenzziehungen von vor 1945 daher - ok das die DDR damals gleich mit genannt wurde - geschenkt - Westberlin währe vermutlich kaum zu sehen gewesen auf der Wetterkarte - da wußten wir "im Osten" gleich mit wie das Wetter ungefähr wird.
Im Banat in Rumänien und natürlich auch in Siebenbürgen sind viele Ortsschilder mehrsprachig angeschrieben. ich hab mittels Streetview für Temeswar nachgeschaut. Gleich 4 sprachig: Timisoara (rum), Temeswar (dt), Temesvár (ung) und Temeschwar (in kyrillischer Schrift für die serbische Minderheit). Richtig deutsch würde sie eigentlich Temeschburg heissen, die Burg an der Temesch, nur fliesst die gar nicht durch Temeswar ;-) Den Namen benutze bloss keiner dort, steht aber jetzt so in meinen Ausweisen als Geburtsort. Wahrscheinlich historisch bedingt, Banat war vor 1920 (Trianon) ungarisch als Teil Österreich-Ungarns.
Ich finde das Thema hochinteressant, danke für die Eröffnung!
Umbenennung von Ortsnamen bei Sprachenwechsel über die Zeit hinweg lassen sich aus meiner Sicht häufig einer der folgenden 3 Kategorien zuordnen:
a) Breitet sich in einer Region eine neue Sprache aus und wird dominant, werden vorbestehende Ortsnamen oft in die neue Sprache "umgefärbt". Es entsteht dann ein neuer Name, in dem sich der alte in der alten Sprache aber noch einigermassen erkennen lässt. Oft wird der alte Name von Sprechern der alten Sprache noch eine Weile weitergebraucht. In Europa ist das typischerweise bei deutschen, französischen, spanischen .... Ortsnamen der Fall, die frühe rmal lateinisch, gallisch, keltisch, rätisch ... benannt waren. Massilia wird zu Marseille zum Beispiel. Oder zwei Varianten in verschiedenen Sprachen entwickeln sich parallel aus dem gleichen zugrunde liegenden Namen (Genf und Genève aus lateinisch Genava). Das gibt es aber auch in Amerika teilweise, z.B. "Manhatten". Klingt zwar für unsere Ohren heute typisch Englisch, ist aber eine Umformung einer Bezeichnung in einer ehemaligen lokalen Indianersprache.
b) Die neue Sprache ersetzt den alten Namen gänzlich, aber nicht irgendwie, sondern in einer Übersetzung der Bedeutung des alten Namens. So lebt zwar nicht die Erinnerung an die alte Lautung / den alten Begriff weiter, jedoch die alte Bedeutung in der neuen Form.
c) Die neue Sprache stülpt dem Ort eine völlig neue Bezeichnung über, die nichts mehr mit der alten Bezeichnung zu tun hatte, weder mit der Lautung noch mit der Bedeutung. Sie geschehen meist aus politischen, kolonisatorischen und/oder ideologischen Gründen. Beispiele fanden sich zuhauf etwa in der Ex-DDR. Aber auch die meisten australischen modernen Ortsnamen fallen wohl hier herein, vielfach auch in Amerika (beide Kontinente) und in ehemaligen Kolonialgebieten.
a) und b) empfinde ich als sozusagen "natürliche", "organische" Entwicklungen - Sprachen ändern sich, Sprachgrenzen verschieben sich, Sprachen werden durch andere ersetzt. c) hingegen wirkt auf mich aufgesetzt, "unnatürlich", erzwungen und immer mit einer politischen oder ideologischen Absicht versehen.
Mut ist nicht das Gegenteil von Angst. Sondern die Erkenntnis, dass etwas wichtiger ist als die eigene Angst.
Herzlichen Dank, @Horus , echt klasse zusammengefasst und kategorisiert, wie ich finde.
Zur Kategorie c) fällt mir noch ein krasses Beispiel ein, das sicher kein Einzelfall ist: Die Hauptstadt des Tschad, N´Djamena, hieß früher Fort Lamy. Der Name verweist auf einen französischen Offizier, der das Gebiet mit seinen Truppen erobert hat. Also eine zusätzliche Demütigung für die indigene Bevölkerung.
@Thinking , ich habe, da im Home Office, mal schnell im Diercke-Atlas nachgeschaut, da steht tatsächlich Temeschburg. Hab noch ein Exemplar hier, die wurden damals an die Schüler/innen verschenkt bei der Ausmusterung.
Ich habe einen alten Globus bei ebay gekauft, da konnte ich den Herstellungszeitpunkt über die abgebildeten Staaten in Afrika gut eingrenzen. "Rhodesien" (heute Simbabwe) hat nur ein paar Jahre existiert.
bis 1970 in den grenzen von 1937 schon im Jui '90 de vorweggenommene deutsche einhaeit
und: „Bei der Wetterkarte steht ja das Wetter im Vordergrund. Deswegen dienen die Städte tatsächlich nur zur Orientierung. Bei den Landeshauptstädten ist dsa ja so eine Sache. Da liegen ein paar ja sehr nah beieinander – Mainz und Wiesbaden zum Beispiel.“ Deutschlandfunk Ich glaube, es gab vor '90 auch karten, die Köln drauf hatten, aber nicht die Bundeshauptstadt Bonn.
Zitat von Iceman im Beitrag #47Interessant wäre auch mal herauszufinden, wann das bei den Schulatlanten aufhörte. In meinem waren auch noch die Grenzen von 1938, wenn auch gestrichelt, eingezeichnet, also inklusive Ostpreußen etc. Und es stand da: "Zur Zeit unter polnischer (bzw. sowjetischer) Verwaltung".
Zitat von mühe1 im Beitrag #48Echt? Wann war denn Deine Schulzeit?
Zitat von Iceman im Beitrag #49In den späten 70ern bis in die 80er hinein. Später kamen dann neue Atlanten, aber vielleicht wurden die alten aus Kostengründen noch eine Weile weiterbenutzt, so ein Wechsel kann sich ja etwas hinziehen. In der Grundschule hatten wir auf jeden Fall noch den alten braunen Diercke, später kam dann der neue Westermann mit den nicht mehr revisionistischen Grenzen.
Iceman, ich meine, wir sind etwa gleichalt. Ich bin Jahrgang 70, also 1970. Und ich hatte auch den braunen Diercke damals als ersten Schulatlas.
Da standen noch die alten Grenzen drin? Kann ich mich gar nicht mehr dran erinnern. Leicht gestrichelt möglicherweise. Aber Erdkunde war eh nicht so mein Interessensgebiet. Ich hab's wohl verdrängt.
Mit voller Hose ist leicht stinken...
In einer Diktatur haben alle Angst vor einem. Und einer hat Angst vor allen...
Ich bin ähnlich alt und bin mir ziemlich sicher, dass ich einen zeitgenössischen Diercke hatte. Hätte ich mir sonst gemerkt. Der war auch neu, als ich den bekommen habe.
Ja, meiner war auch braun, mit so einem Stoffeinband. Mein Bruder ist sechs Jahre jünger, der hatte dann einen dunkelblauen mit einer bunten Karte vorne drauf.
Mir fällt aber gerade ein, wir hatten später (Oberstufe) auch mal einen Atlas mit historischen Karten. So "Europa zur Zeit der Völkerwanderung" oder "Ausdehnung des römischen Reichs". Den hätte ich gern behalten, musste aber wieder abgegeben werden. War dieser hier, auch braun. Hm, vielleicht kauf ich mir den nochmal.
So, jetzt habe ich meinen Diercke rausgekramt. Vorne steht 1973 drin. Die durchgehende grenzlinie verläuft um BRD und DDR zuammen, dazwischen ist eine dicke, gestrichelte linie. Alle Bundesländer in Ost und West haben eigene farben. Zusätzlich gibt eine gestrichelte linie quer durch Polen, wo die frühere ostgrenze des Reichs war. Und eine um Königsberg, mit dem schriftzug 'Ostpreußen' drin. Die diversen karten unter der überschrift Deutschland reichen von der Eifel bis hinter Königsberg. Sämtliche ortsnamen sind die alten deutschen.
Das kann gut sein, wenn man sich die Auflegungshistorie ansieht. 1957 ist man vielleicht noch davon ausgegangen, dass die deutsche Teilung "nur eine Phase" ist. Ich gehe aber eindeutig davon aus, dass ich die Folgeauflage von 1974 hatte. https://de.wikipedia.org/wiki/Diercke_Weltatlas
Danke für euer sehr interessantes Feedback zu den Atlanten!
Hab jetzt auch nochmal geschaut, mein brauner Diercke ist aus dem Jahr 1966. Kein Wunder, dass er während meiner Schulzeit dann doch mal ausgemustert wurde!
Die ganzen neuen Staaten in Afrika sind schon drin (die meisten wurden ja um das Jahr 1960 herum unabhängig). Das bereits erwähnte Rhodesien ist auch zu finden, ebenso wie westlich davon "Betschuanaland", das heutige Botswana. Namibia ist noch unter südafrikanischer Verwaltung. Sehr unklar sieht es auf der Arabischen Halbinsel aus, da sind fast alle Grenzen noch gestrichelt (Saudi-Arabien, Jemen, Oman, die Emirate...)
Frage an alle Lehrer/innen hier oder User mit jüngeren Kindern bzw. Enkeln: Gibt es eigentlich noch gedruckte Atlanten im Schulunterricht? Oder läuft das alles über Google Maps, Wikipedia und andere Quellen?
Also das Dekomauskind, was 2009 einigermassen ehrenhaft aus der Schulzeit entlassen wurde, hatte noch einen richtigen, gedruckten Atlas. Bei uns steht auch noch etwas eingestaubt ein Globus gekauft vor ca. 13 Jahren auf dem Schrank. Selbst habe ich mir mal meinen Schulatlas aus DDR Zeiten bei der "Bucht" nochmal neu ersteigert, weil der übersichtlichtlicher aufgebaut war, als der vom Dekomauskind. Auf Papier haste da oft den besseren, groben Überblick, als digital, wo was liegt.
Ich blättere gerne in einem Flohmarkt - Fundstück: Andrees Handatlas (obwohl man mehr als eine Hand für das Trumm braucht), aus 1893. In manchen Gegenden sind nur die Küsten eingezeichnet, das Landesinnere ist terra incognita. Interessant, wie anders damals vieles war - Namen, Grenzen, Städtegrößen,...
Noch drei Fundstücke: Die Stadt Montbéliard in der Franche-Comté hieß früher tatsächlich mal "Mömpelgard", als sie zu Württemberg gehörte. Da klingt der neue Name doch wesentlich eleganter. Interessant, dass sich die "Hirschstangen" aus dem württembergischen Wappen auch heute noch im Stadtwappen finden.
Die (heute tschechische) Stadt Hotzenplotz, die dem Räuber den Namen gab (Otfried Preußler stammte aus der Gegend), heißt jetzt Osoblaha. Würde als Räubername irgendwie nicht so überzeugend und kraftvoll wirken: "Da kommt der Räuber Osoblaha, haha!" Aber: "Potz Blitz!, der Räuber Hotzenplotz! Versteckt eure Großmütter und Kaffeemühlen!"
Die spanische Hafenstadt Ferrol in Galizien (die ich mir nächstes Frühjahr bei einer Reise in die Gegend mal anschauen möchte) trug von 1938 bis 82 den Namen "El Ferrol del Caudillo", als Verweis auf den Diktator Franco (Caudillo = "Führer"). Gruselig.
Zitat von mühe1 im Beitrag #57Ich habe einen alten Globus bei ebay gekauft, da konnte ich den Herstellungszeitpunkt über die abgebildeten Staaten in Afrika gut eingrenzen. "Rhodesien" (heute Simbabwe) hat nur ein paar Jahre existiert.
Auf der Schreibtischunterlage mit Weltkartenprägung, die ich irgendwann bei meinem Vater abgestaubt habe, steht das auch noch… Die ist aus den frühen 70ern. Hat sich mir schon als Kind eingeprägt, weil „Perry Rhodan“-Leserin… (Das ist eine „Heftchenreihe“ wie Jerry Cotton und so, aber Thema Science Fiction)
Ich bin nicht „im Spektrum“. Aber mein EQ ist tatsächlich etwas niedrig.
Interessant! Diese alte Schreibtischunterlage ist sicher sehr schön. Jetzt muss ich aber doch nochmal neugierig nachfragen, ist es nur die Namensähnlichkeit oder hat Perry Rhodan auch direkt etwas mit Cecil Rhodes und Rhodesien zu tun?