Zitat von macaronesia im Beitrag #895[quote=Distanzia|p135716]
Das "Problem" dabei ist, dass die Bedürfnisse nicht einheitlich sind, sondern auf die Art der Erkrankung bzw. Behinderung ankommen. Das, was dem einen hilft, kann den anderen behindern. [/quote/]
Die geriffelten Spuren für Sehbehinderte erschweren Rollatorbenützern das Laufen, viele benötigen dann Hilfe auf solchen Wegen.
Bei mir ist an den Stellen nicht der Rollator das Problem, sondern der unebene Untergrund an sich, der meine Symptome verschärft. Trotzdem hilft der Austausch hier, einfach um sich Dinge besser bewusst zu machen. Danke an dich, Distanzia, für deine Vorschläge und Anmerkungen dazu.
Der Reichtum eines Menschen sind die Gedanken seines Herzens. aus "Das Herzenhören" von Jan- Philipp Sendker
Zitat von Distanzia im Beitrag #898Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen ernstnehmen. Das ist ein gesellschaftlicher Prozess. Wie auch hier im Thread berichtet wird, werden diese Menschen oft nicht für voll genommen, ihre Urteilsfähigkeit wird ihnen abgesprochen, sie werden wie Kinder behandelt oder von außen entschieden, was gut für sie ist. Das findet in der Familie statt, im Freundeskreis und in der Öffentlichkeit und auch bei Ärzten. Die Haltung ist vielen nicht mal bewusst, ich glaube auch, dass es viele gut meinen. Trotzdem sind Menschen mit Einschränkungen/Behinderungen Erwachsene, die selbst entscheiden, was sie wollen. Von außen ist das, was die Erkrankung mit ihnen macht nur rudimentär nachvollziehbar, jeder Betroffene empfindet das anders. Deshalb entscheidet auch jeder für sich selbst. Das Thema ist besonders brisant im psychiatrischen Bereich. Dort werden die Patienten in vielen Fällen immer noch wie Unmündige behandelt, die nicht selbst entscheiden können oder irgendwie nicht fähig sind ihr Leben auf die Reihe zu kriegen.
Das fasst bestens zusammen, was mir nicht in vollem Umfang bewusst war, und was ich hier im Thread gelernt habe.
Unsichtbare Handicaps hatte ich auch nicht ganz auf dem Schirm. Auch das hat sich aufgrund der Diskussionen hier bei mir geändert.
Trotzdem werde ich weiterhin Fehler machen. Schon deshalb, weil ich es bis jetzt fast ausschließlich mit handfest pflegebedürftigen alten Menschen zu tun hatte.
Sie wären regelmäßig gestürzt, wenn ich mich vor meinen blitzschnellen Hilfestellungen jedes Mal erkundigt hätte, ob ich sie mal eben um die Hüfte fassen darf.
Deshalb werde ich wohl immer in Habacht-Stellung lauern, wenn jemand in meiner Reichweite gangunsicher wirkt.
Ich habe eine sehr junge, erblindete Bekannte, mit der ich manchmal als Begleitperson Zug fahre. Beim ersten Mal bekam ich - gleichermaßen zu Recht wie zu Unrecht - einen Ansch*ss von ihr, weil ich sie überbehütend "führte": Ich bin blind, nicht blöd!, stellte sie klar.
Von einem im Alter erst sehbehindert gewordenem Verwandten her bin ich gewöhnt, jede Stufe, jeden Absatz "anzusagen" und davor kurz stehenzubleiben.
Die junge Bekannte dagegen hat ein hervorragendes Mobilitätstraining für Blinde durchlaufen und erspürt durch den Bewegungsablauf am Arm der Begleitperson genau, dass Stufen, Gehsteige usw. bevorstehen.
Auf solche Dinge werde ich jetzt sehr viel mehr achten.
Denn es geht nicht an, aus Hilfsbereitschaft übergriffig zu werden, statt erstmal zu gucken, ob und welche Hilfe gewünscht ist.
Allerdings werde ich weiterhin jede Person jeden Alters ohne zu fragen um die Taille fassen, wenn ich den Eindruck habe, dass sie im nächsten Moment zu Boden fällt.
Da müsst ihr durch, liebe sichtbar und unsichtbar Gehandicapte. 🌿🌻🌿
Dem schliesse ich mich umfänglich an.
Distanzia,
mit Deinem letztenm Posting kann ich sehr viel anfangen. Mich stört es auch gewaltig, dass wir überall beschallt werden, mich stresst das auch. Die fehlenden Bänke und Ruhezonen fehlen mir auch. Wie und wo kann man eigentlich auf diesen Mangel hinweisen? Gemeinderatsmitglieder? Landkreis? Ich gehe das gerne lokal an.
Ich habe übrigens im Umfeld mal gefragt, ob jemand weiss, was es mit der Sonnenblume auf sich hat. Das weiss auf gut schwäbisch keine Sau.
Lg Luci
PS: Ich habe das Posting von Zinn bewusst ganz kopiert, weil ich es für sehr wertvoll halte.
Luci, schreib einen Text für die Lokalzeitung. Oft freuen die sich ja, wenn sie Futter von aussen bekommen. Und geh auf FB in die Ortsgruppen.
Danke, Distanzia, für die Auflistung, du hast das gut formuliert, was mir übers WE im Kopf rumging.
Zinn, wenn du direkt mit hilfebedürftigen Menschen zu tun hast, als Hilfe, ist es doch 'Teil des Jobs' und normal, dass du mit anpackst, wenn sie stolpern. Wenn vor dir jemand Fremdes auf der Treppe stolpert, ist der Reflex zu unterstützen in meinen Augen auch normal. Anders wäre es, wenn du jemanden am Ellenbogen fasst, ohne dass ein Grund vorliegt, selbst wenn es sein könnte. Hingucken und notfalls eingreifen ist dann ja wieder etwas anderes.
Hier gab es mal einen Slogan mit einem markanten Wortspiel: 'Don't diss my ability' (to diss = respektlos über etwas reden, etwas niedermachen / ability = Können / disability = Behinderung) - "mach mein Können nicht klein". Der ist hängen geblieben, der Spruch.
Je älter die Gesellschaft wird, desto wichtiger finde ich das Miteinanderreden. So wie im Beispiel mit deiner sehbehinderten Bekannten. Da spricht man sich ab und gut ist.
Ich zähle auch zB Asthma, Crohn's und Endometriose zu den unsichtbaren Krankheiten.
"We can, in fact we must, continue to fight to make everything about society better, without destroying what's already great." Carrick Ryan, Australian political commentator
"We are all just walking each other home." Ram Dass, writer
die Idee mit der Zeitung ist hervorragend. Ich schreibe gelegentlich knackige Leserbriefe, die wurden bisher alle veröffentlicht. Ich muss nur auf einen Artikel warten, auf den ich mich beziehen kann.
Ich habe auch hier das mit der Sonnenblume zum ersten Mal gelesen. Vielleicht gehörte da ein bisschen mehr Publikmachen in der Presse (digital/analog) dazu. Mir ist nochwas eingefallen: mein Mann ist gehbehindert und wegen diverser Erkrankungen auf den Rollator angewiesen. Und man sieht ihm seine ü70 sicherlich auch an, genau wie mir, obwohl ich natüürlich mindestens 10 Jahre jünger aussehe. Also ich geh mit meinem Mann in ein Autohaus, weil wir längere Zeit auf Autosuche waren. Eine nette Dame sprach ihn an. Da ich für gesprochene Zwischentöne ein feines Gehör habe, fand ich die Ansprache ein wenig, wie soll ich sage, betüttelnd. So: ah, ein Senior, mit dem rede ich mal lieber langsam, laut und einfach. Aber eigentlich ist das ein eigenes Thema. Wie man als sichtbar alter Mensch angesprochen wird. Ist nämlich völlig anders, zumindest anfangs, als mit jüngeren Menschen. Stößt mir manchmal auch auf. Aber hier eigentlich OT.
@Anemone Oft wird der ältere, behinderte Mensch nicht mal beachtet, sondern man spricht ausschliesslich nur mit der Begleitperson, ohne dass der erstere auch nur ein Wort sagen darf, obwohl das Gespräch nur um seinetwillen oder seiner Angelegenheiten geführt wird.
Zitat von macaronesia im Beitrag #906@Anemone Oft wird der ältere, behinderte Mensch nicht mal beachtet, sondern man spricht ausschliesslich nur mit der Begleitperson, ohne dass der erstere auch nur ein Wort sagen darf, obwohl das Gespräch nur um seinetwillen oder seiner Angelegenheiten geführt wird.
Nicht mein Ansprechpartner macht das, sondern mein Mann. Ich sitze im Rolli am Empfang des Arztes und er beginnt mit: "Meine Frau braucht ...". Ich könnte jedes Mal ausrasten. "Mein Bein ist ab, nicht mein Kopf!", sage ich dann jedes Mal. Aber er rafft es nicht. Ich weiß, dass er mich nur beschützen, behüten und mir alles abnehmen will, so, als ob ich bedauernswert wäre. Weder bin ich das, noch fühle ich mich so. Er nennt es Liebe, ich übergriffig *seufz*
Zitat von macaronesia im Beitrag #906@Anemone Oft wird der ältere, behinderte Mensch nicht mal beachtet, sondern man spricht ausschliesslich nur mit der Begleitperson, ohne dass der erstere auch nur ein Wort sagen darf, obwohl das Gespräch nur um seinetwillen oder seiner Angelegenheiten geführt wird.
Das kenn ich selbst, und es ist wirklich verrückt, denn ich bin zwar körperlich eingeschränkt, habe aber immer noch eine "große Klappe", bin sehr wach, aufmerksam, kann gut reden...
Aber immer wenn ich mit einem Begleiterin unterwegs bin, wird der oder die angeguckt, nicht ich! Ich rede, und bei der Antwort wird der andere angeschaut! Unglaublich!
Zitat von Mayali im Beitrag #908ich weiß, dass er mich nur beschützen, behüten und mir alles abnehmen will, so, als ich bedauernswert wäre. Weder bin ich das, noch fühle ich mich so. Er nennt es Liebe, ich übergriffig *seufz*
Dieser Strang tut schon mal was gutes - er sensibilisiert uns.
Gestern abend habe ich mit meiner früheren Traningspartnerin telefoniert, sie ist fast blind. Ich gehe gelegentlich mit ihr einkaufen, meistens machen das ihre engen Freunde. Sie meinte, sie freut sich auf den nächsten Grosseinkauf mit mir, ich würde sie nicht wie einen Idioten behandeln . . es scheint viel Nachholbedarf zu geben in puncto Miteinander und Respekt.
Jetzt fahre ich mit meiner hallux-operierten Nachbarin mit ihrem Auto mit ihr los Besorgungen machen. Ausser mir will sie keinem das Auto anvertrauen. Ich fahre sie sonst immer mit meinem Auto, aber ihr Auto sollte mal bewegt werden. Ihren engen Freunden will sie es nicht anvertrauen, die fahren ihr nicht gut genug. .
danke. ich gebe mir Mühe. Meine Nachbarin war sehr zufrieden mit mir als Chauffeur und ich habe das 1. Mal im Leben einen Hybrid gefahren. Sehr angenehm übrigens, aber ungewohnt wenn man startet und nix hört.
Lg Luci
PS: Auch wenn ich hier von einigen als Ignorant abgetan wurde, ich hatte/ habe im Freundeskreis schon alle möglichen Handicpas, aber halt alle sichtbar. Deshalb habe ich vermutlich etwas dusselige Fragen zum Thema unsichtbare Handicaps gestellt, man möge mir verzeihen.
Zu meiner aktiven Triathlonzeit habe ich lange mit einem beidseitig beinamputierten Handbiker der dt. Nationalmannschaft trainiert. Unterwegs mal ein Eis essen war schier nicht möglich. Meistens sassen wir am Strassenrand vor der Eisdiele. An die mittleidigen (?) Blicke musste ich mich erst gewöhnen, irgendwann habe ich sie nicht mehr wahrgenommen. Am angenehmsten waren Kinder, die waren immer io und haben das Handbike (Rennhandbike) bestaunt.
Ich habe heute noch einmal eine Umfrage gemacht wegen der Sonnenblume, unter anderem im Schwimmverein bei einer Person mit Rollator und einer Person, die an Krücken läuft. Die kennen die Idee mit der Sonnenblume alle nicht.
Ich kannte das auch nicht, finde es aber tatsächlich eine richtig gute Idee, um darauf aufmerksam zu machen, dass man in egal welcher Form auch immer, in seinen Bedürfnissen abweicht von dem, was denen des zugrundegelegten „Normalbürgers“ entspricht. Bitte jetzt keine Diskussionen zum Normalbürger. Das ist auch ohne weitere Zersplitterung zu verstehen.
Insbesondere, wenn es nicht erkennbar ist.
Und man muss die Sonnenblume ja auch nicht vor sich hertragen, wenn man sie nicht benötigt und dafür keine Aufmerksamkeit möchte. Kann aber. Oder Zücken im Bedarfsfall. Richtig gute Idee meiner Meinung nach.
Ein Amateur hat die Arche gebaut, Profis die Titanic.
Diese gute Idee gehört aber bundesweit bekannt gemacht. Mit Plakataktionen zb in analog, und einflussreichen Influencern, die das den jüngeren Generationen nahebringen.
Ist ähnlich dem Handzeichen für Hilfe, welches auch kaum wer kennt!
Zitat von Skala_Rachoni im Beitrag #919Diese gute Idee gehört aber bundesweit bekannt gemacht. Mit Plakataktionen zb in analog, und einflussreichen Influencern, die das den jüngeren Generationen nahebringen.
Ist ähnlich dem Handzeichen für Hilfe, welches auch kaum wer kennt!
Ich kenne das auch nicht . . ich bin nur richtig ärgerlich, dass man sich um so einfache Dinge, die allen mit einem Handicap wirklich helfen können, offenbar nicht kümmern will. Weiss jemand, welches Ministerium dafür zuständig wäre? Da muss man wohl mal oben angreifen. Das tue ich auch. Abgesehen davon kümmere ich mich jetzt um Sitzgelegenheiten bei mir vor Ort.
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Zitat von Skala_Rachoni im Beitrag #919 Ist ähnlich dem Handzeichen für Hilfe, welches auch kaum wer kennt!
Ist vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber auf einem Bildschirm, oberhalb der Kasse, in einem EDEKA, sah ich schon das Handzeichen und die Erklärung dazu. 👍🏼
Der Reichtum eines Menschen sind die Gedanken seines Herzens. aus "Das Herzenhören" von Jan- Philipp Sendker